Vor Kurzem durften wir unseren wohlverdienten Jahresurlaub auf Fuerteventura verbringen. Von unserer Reise habe ich neben vielen neuen Eindrücken auch einige Situationen mitgebracht, auf die ich in nächster Zeit Blogartikel-mäßig eingehen möchte. Es verspricht spannend zu werden, soviel kann ich Dir jetzt schon einmal verraten. 🙂
Beginnen möchte ich mit folgender Situation, die sich im Ferienflieger gleich auf dem Hinflug in der Mittelreihe neben uns ereignet hat:
Ein Mädchen (etwa 2 bis 3 Jahre alt) sitzt im Flugzeug auf Papas Schoß. Sie weint fürchterlich und lässt sich von ihm auch nicht beruhigen. Er gibt offensichtlich alles. Doch dann kommt endlich die Mama zurück, und es wird klar, weswegen die kleine Maus so schreit. Die Mama war kurz weggegangen. Das Kind beruhigt sich nur sehr langsam auf ihrem Arm. Sie schluchzt „Mama“ in der Dauerschleife und krallt sich an dieser fest. Einen Moment später schläft sie endlich erschöpft auf Mutters Arm ein.
Was war nur los mit der kleinen Prinzessin?
Sie hat ihre Mama vermisst, soviel ist klar. Aber was genau geht in einem Kind diesen Alters vor, wenn es mit Trennung konfrontiert wird?
Vermutlich war die Mutter nur mal eben auf der Bordtoilette, doch das weiß das Mädchen nicht. Denn in dem Alter verstehen die Kinder es nicht, auch, wenn man versucht zu erklären, dass man ja „nur kurz“ weg ist, und gleich schon wiederkommt.
Weg ist weg. Egal, wie lange.
Kleine Kinder haben ein enormes Problem, mit Trennung umzugehen. Die Sorge, verlorenzugehen, vergessen zu werden oder zurückzubleiben ist überwältigend. Diese Angst kann auch ganz plötzlich entstehen.
Unsere Kinder sind hungrig nach Kontakt und Verbindung. Sie BRAUCHEN die Gewissheit, dass wir immer für sie da sind. Dieses Bedürfnis übersteigt alle anderen Bedürfnisse! Trennung können die Kleinen schlichtweg NICHT ertragen!
Aber warum ist das so?
Die ersten sechs Lebensjahre jedes Menschen sind hauptsächlich der Aufgabe gewidmet, die Beziehungsfähigkeit zu entwickeln. Diese ist die wichtigste Fähigkeit eines Menschen.
Die Beziehungsfähigkeit unserer Kleinen ist noch nicht zu der Fähigkeit entwickelt, bei Trennungskonfrontationen innerlich an uns festhalten zu können.
Und welche Auswirkungen können beim Kind ausgelöst werden, wenn es mit ständiger Trennung konfrontiert wird?
– Starke Emotionen: Sie schlagen Alarm, zeigen Anzeichen von Frustration, und sie wollen uns nah sein (das ist der Ausdruck unserer Kleinen aus oben genanntem Beispiel)
– Sie binden sich anderweitig (Schmusetuch, Kuscheltier, Gleichaltrige)
– Manche Kinder werden zum Leitwolf (sie bestimmen)
– Sie wünschen gar keinen Kontakt mehr und panzern sich gegen jedwede Gefühle
Dies sind alles Zeichen dafür, dass sie mit MEHR Trennung konfrontiert sind, als sie zu bewältigen in der Lage sind.
Fakt ist, Kleinkinder können nicht viel aushalten!
Wie wir es handhaben, fragst Du?
Unser Sohn ist jetzt 17 Monate alt. In seinem Leben war er (außer zu Beginn seines Lebens, da er auf der Intensivstation des Krankenhauses lag) IMMER, ohne Ausnahme, entweder bei meinem Mann oder bei mir. Tagsüber betreue ich Emil. Und abends, wenn er schon im Familienbett liegt und noch einmal aufwacht, ebenfalls. In diesen Situationen ist er zwangsläufig mit einem gewissen Maß an Trennung konfrontiert.
Ein nützliches Instrument stellt mir Mutter Natur zur Verfügung: Das Stillen.
Mehr Nähe können Kinder nicht spüren als beim Stillen. Bei Emil können weder eine Umarmung, noch ein Kuss oder eine zärtliche Berührung mithalten. Er beschwert sich so lange, bis er seine Mumi hat. Ich muss aber dazusagen, dass wir beide große Stillfans sind und es genießen. Deswegen ist auch erstmal kein Ende in Sicht. 🙂
In unserer Gesellschaft höre ich immer wieder, dass ich loslassen soll.
„Trennung muss geübt werden“, und so weiter.
NEIN! Muss sie nicht!
Das Gegenteil ist nämlich der Fall. Das Kind braucht MEHR Bindung, NICHT weniger! Je tiefer die Bindung ist, desto weniger ist unsere ständige Nähe, der direkte Kontakt oder unsere körperliche Anwesenheit erforderlich. Unser Kind lernt, dass es sich auf uns verlassen kann, dass wir immer da sind.
Natürlich gibt es Situationen, in denen eine Trennung unvermeidbar ist. Es gibt tolle Möglichkeiten, wie Dein Kind an Dir festhalten kann. Wie Kontakt und Nähe bewahrt werden können. Darauf werde ich in einem separaten Artikel gesondert eingehen.
Natürlich kann man all diese Dinge niemals pauschalisieren. Kein Kind gleicht dem anderen, und was für das eine gilt, funktioniert bei einem anderen überhaupt nicht.
Grundsätzlich aber wisse: DU bist der Experte für DEIN Kind!
Hör auf Dein Herz und Deinen Bauch. Dann weißt Du, welche Bedürfnisse DEIN Kind hat. Und was für euch richtig ist.
Wie sieht es bei dir aus? Welche Erfahrungen hast Du mit Trennung gemacht und wie handhabst Du es zur Zeit? Welche Lösung funktioniert für Dich? Ich freue mich, Dich in den Kommentaren wiederzusehen. 🙂
Liebe Jenniffer,
ich habe auf schmerzliche Weise erleben müssen, wie schlimm Trennung für ein Kind ist, weil ich einmal von jetzt auf gleich in meiner 2. Schwangerschaft ins Krankenhaus musste. Ich konnte mein Kind ja nicht darauf vorbereiten. Lange Zeit hatte sie Schwierigkeiten, sich von mir zu Lösen – vor allem als sie ab 4 Jahren in den Kindergarten ging. Kann man dieses Trennungserlebnis wieder auflösen oder „wiedergutmachen“ mit eigenem Verhalten? Ich habe mit ihr darüber gesprochen…
Liebe Petra, herzlichen Dank für Deinen Beitrag 🙂
Ich nehme an, Deine Tochter war zum Zeitpunkt Deiner 2. Schwangerschaft etwa 3 Jahre alt? Nach Gordon Neufeld ist das das Jahr, in dem sich unsere Kinder vor allem über Beständigkeit binden. „Meine Mama“ 🙂
Zudem kann Dir vielleicht das Buch „Spielen schafft Nähe“ von Aletha Solter helfen. Da gibt es ein ganz eigenes Kapitel zum Thema: „Trennungstrauma“. Sie geht in dem Abschnitt darauf ein, dass Trennung für Kinder immer mit enormem Stress verbunden ist. Unter Umständen könne sogar therapeutische Hilfe nötig sein, um das Gefühl des Verlusts, der Verwirrung, Angst und Wut zu überwinden. Sie schreibt weiterhin: „Bei Kindern, die ein Trennungstrauma erlitten haben, machen sich oft problematische Verhaltensweisen bemerkbar, wie Aggressionen, Klammern oder Kooperationsverweigerung…In solchen Fällen ist es besonders wichtig, jegliche Strafen zu vermeiden, die eine räumliche Trennung zwischen Kind und Eltern nach sich ziehen (Auszeit, Zimmerarrest…), weil es nichts gibt, wovor es sich mehr fürchtet.“ Solter empfiehlt darüber hinaus Spiele wie „Guck-guck“ oder Verstecken als therapeutische Interventionen. Ebenso wie viel Körperkontakt.
Oder gehört Deine Tochter zu den Kindern, die sich aufgrund des Traumas gegen zwischenmenschliche Kontakte oder Nähe sträuben? Das ist als Selbstschutzmaßnahme zu verstehen, die verhindern soll, dass sie sich wieder zu eng an jemanden bindet um nicht noch einmal so verletzt zu werden. Hier solltest Du ihre Grenzen akzeptieren und respektieren, aber spielerisch ihre Nähe suchen, so dass wieder mehr Vertrauen aufgebaut werden kann.
Ich wünsche Dir viel Erfolg. Du bist sicher eine ganz liebevolle Mami, und Deine Tochter kann froh sein, dass sie Dich hat!
Deine Jenniffer
Toller Artikel. Von meinen drei Jungs ist nur de Älteste, 5 Jahre, regelmäßig von mir getrennt. Er geht 4 Stunden in eine Kita. Lustigerweise dominiert er die restliche Zeit Brüder und Freunde und wir sagen oft ‚ein Leitwolf‘. Ich war gerade eine Woche mit den Kindern bei meiner Oma. Am letzten Tag hab ich gepackt, während der Älteste ferngesehen hat. Ich fing schon an, alles ins Auto zu räumen, als er völlig aufgelöst weinend ankam. Er hatte Angst, ich würde ihn vergessen. Verrückt denke ich. Real für ihn. Danke, für die Erinnerung.
Liebe Sabina, erst einmal vielen herzlichen Dank für Deinen tollen Kommentar. Genau das empfinde ich nämlich auch als ein Problem: Wir sind immer wieder in der Denke der Erwachsenen. Natürlich. Es ist deswegen umso wichtiger, dass wir uns in regelmäßigen Abständen in die Perspektive unserer Kinder hineinversetzen. Ich freue mich unglaublich, dass ich Dich durch meinen Artikel daran erinnern konnte 🙂 Ich wünsche Dir von Herzen alles Liebe, und: Mach weiter so. Ich bin davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind! Deine Jenniffer