Teil 6: Ich will nach Hause!
Die Sanitäter waren ganz nett, glaube ich, denn ich war immer noch nicht so ganz bei mir. Alles ging so schnell. Sie hatten es furchtbar eilig. Ich hatte am Ende nicht mal eine Jacke an (Ende Januar!) und die Schuhe standen auf meinem Schoß.
Mein nicht mal eine Stunde altes Baby durfte auch nicht mit im Krankenwagen transportiert werden, so dass ich – mal wieder – Abschied nehmen musste zu einem Zeitpunkt, an dem ich eigentlich beobachten wollte, wie mein Sohn sich von alleine auf den Weg macht, meine Brust zu suchen. Dabei wollte ich ihm fasziniert zusehen und ihm aufmunternd zulächeln.
Stattdessen befand ich mich auf dem Weg ins Krankenhaus. Liegend. Zitternd vor Aufregung, Kälte, Anstrengung und Angst.
Doch es sollte ein Engel an meiner Seite sein: Meine Doula Silke. Sie kam morgens um acht und blieb bis abends bei mir. Die ganze Zeit. Keine Sekunde ließ sie mich alleine. Sogar bei der OP, die nun folgte, hielt sie meine Hand und wich nicht von meiner Seite.
Auch im Krankenwagen war Silke dabei (sonst wäre ich alleine gewesen) und reagierte auf alle Fragen der Sanitäter. Ich hätte keine einzige davon beantworten können.
In der Klinik wurde Ultraschall gemacht, worauf man jedoch nichts Auffälliges erkennen konnte, und die Belegschaft (ich lernte sie an diesem Mittag alle kennen!) entschied, mich doch mal in Vollnarkose zu legen um nachzusehen.
Ein paar Minuten später dämmerte ich schon vor mich hin und begab mich mehr oder weniger vertrauensvoll in die Hände des Fachpersonals. Angst hatte ich trotzdem. Das Zittern kam wieder.
Während meiner OP machten sich Anna, mein Mann Sascha und meine Jungs Emil und Finn auf den Weg zu mir ins Krankenhaus. Da Emil nicht auf Station durfte, konnte auch Sascha nicht zu mir. Einmal mehr bin ich voller Dankbarkeit, dass Silke bei mir war. Ohne sie hätte ich alles alleine überstehen müssen.
Tatsächlich fanden die Ärzte noch zwei Teile der Plazenta, die sie ausschabten. Gleichzeitig wurden auch zwei kleine Risse genäht, die durch die Geburt entstanden waren.
Kurz nach der Operation erwachte ich wohl schnell und konnte mich bald auch schon wieder unterhalten. Man brachte mir meinen kleinen Sohn Finn. Das Bübchen schlief den ganzen Nachmittag. Erst abends um sieben legte ich ihn das erste Mal an. Das Stillen klappte sofort und ohne Probleme, so als hätten wir nie was anderes gemacht. Naja, ich mache seit 3 Jahren fast nichts anderes. Mein Milchvampir Emil hat mich durch eine gute Schule geschickt. ;-D
Am liebsten hätten die Ärzte und Schwestern, und auch Silke, gesehen, dass ich die Nacht im Krankenhaus bleibe. Ich machte es abhängig davon, wie Emil auf diese Aussicht reagiert. Sascha und ich standen über Silkes Handy in Kontakt. Emils Reaktion verwunderte mich nicht weiter: Er weinte. Auch weil er schon seit halb sechs am Morgen wach war, der Tag für ihn und uns alle mehr als aufregend war, und es inzwischen schon dunkel wurde. Er war total übermüdet.
Unabhängig davon gibt es keinen einzigen Abend, an dem er nicht von mir in den Schlaf gestillt wurde – zumindest nicht seit er damals aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Da war er vier Wochen alt.
Und naja, was soll ich sagen, wenn das eigene Kind weint, da werden Kräfte freigesetzt, die sicher jede Mutter kennt.
Auf eigenen Wunsch und vor allem in eigener Verantwortung verließ ich das Krankenhaus gegen 20:30 Uhr in einem Rollstuhl, der mich bis ans Auto brachte.
Genesen konnte ich auch daheim, im Kreise meiner Liebsten. Wo heilen Wunden besser als dort, wo man zu Hause ist, umgeben von Liebe und vom Herzen kommender Fürsorge?!
Im nächsten und letzten Teil erstelle ich ein Fazit meiner Erfahrung. Wie sehe ich es heute, mit etwas Abstand? Würde ich es wieder tun?