Teil 5: Ein Ende mit Schrecken
Eigentlich wollte ich Finn empfangen. Ihn auffangen. Der erste Mensch sein, der ihn berührt.
Doch ich konnte mich vor Schmerzen nicht bewegen. Ich war stocksteif, zumindest hatte ich dieses Gefühl. Wer auch immer half mir, mich aus dem Vierfüßler-Stand zu befreien und mich auf den Rücken zu legen.
Anna nahm Finn hoch und legte ihn mir auf den Bauch. Die Nabelschnur war so kurz, dass ich ihm gar nicht richtig ins Gesicht schauen konnte. Ich wollte aber unbedingt, dass diese uns so lange verbindet, bis sie komplett auspulsiert ist. Da wird nochmal so ein richtiger Schub an Nährstoffen auf das Kind übertragen, haben wir vorher gelesen. Das wollten wir natürlich auch. 😉 (Mehr Infos darüber am Ende des Beitrags). Als die Nabelschnur auspulsiert war, schnitt mein Mann sie durch.
Meine Konzentration lag leider auf den unsagbar schlimmen Schmerzen, nicht auf meinem Kind. Ich konnte mich gar nicht richtig freuen. Ich hatte es doch geschafft. Ohne Schmerzmittel. Von der ersten richtig heftigen Wehe bis zur Geburt waren etwa 1,5 Stunden vergangen. Und mein kleines Wunder lag da auf meinem Bauch. Ein ganz ruhiges Kerlchen, er hatte nicht mal geschrien. Oder doch? Ich hab an diesen Moment keine eindeutigen Erinnerungen mehr, wie in Trance erlebte ich diese Augenblicke. Dabei hatte ich es mir so ausgemalt, dass ich ganz bei mir bin, in meiner Kraft, bei vollem Bewusstsein, nicht benebelt durch Schmerzmittel. Und dann das.
Unter mir lief wohl ziemlich viel Blut aus meinem kleinen zierlichen Körper. Das erste Bonding, das so wichtig ist, ich hatte es mir ganz anders vorgestellt. Schon bei Emil damals hatten wir nur 10 Minuten das Vergnügen, diese ganz besondere Nähe zu genießen, dann wurde er aufgrund der Frühgeburt, aber trotz Apgar 10, 10, 10 untersucht und weggebracht.
Diesmal sollte alles ganz anders sein. Doch das war mir wohl nicht vergönnt. Stattdessen wurden ernste Blicke zwischen meinen Hebammen ausgetauscht und eine Entscheidung getroffen, die diesem Tag trotz der gewünschten Hausgeburt ein unerwünschtes Ende einbrachte.
Direkt mit der Geburt meines zweiten Sohnes ebbten die Wehen ab. Es kam keine einzige weitere Wehe, so dass die Plazenta auf sich warten ließ. Anna leitete mich an, nochmal mitzuschieben, und so erblickte auch die Nachgeburt das Licht der Welt. Leider nicht als Komplettpaket. Mein Körper verlor weiter Blut.
Ein Risiko eingehen, das wollten Anna und Isabelle freilich nicht, und so wurde kurzerhand der Krankenwagen gerufen, der mich ins nächste Hospital bringen sollte…
Auf Hebammenwissen.info heißt es zum Thema Nabelschnur:
Die Nabelschnur ist nicht nur ein wahres Wunder während der Schwangerschaft. In dieser Zeit versorgt sie über die Plazenta das heranwachsende Baby im Bauch neun Monate zuverlässig mit Nahrung und Sauerstoff.
Auch nach der Geburt kommt der Nabelschnur eine essenzielle Aufgabe zu: Kommt das Baby zur Welt, bleibt diese exklusive Verbindung zum Mutterkuchen noch eine Weile erhalten, um dem Neuankömmling noch eine extra Portion an Sauerstoff, Nährstoffen und Mineralien übers Blut zuzuführen. Das ist zu erkennen am Pulsieren der Nabelschnur. Direkt nach der Geburt befindet sich noch ungefähr ein Drittel Blut vom Baby in der Plazenta. Dieses wird in den folgenden Minuten zum Baby transportiert. Das erweitert die Lungen und macht sie bereit, Luft zu atmen. Das Baby nimmt seine Atmung also auf, während es gleichzeitig von der Versorgung durch die Nabelschnur unterstützt wird, solange es dies benötigt. Ein sanfter Start ins Leben!
Eine wahre Hochleistung! Alle Achtung!