Ich stehe mit meinem Baby Finn auf dem Arm vor den Toren des Erbacher Hofs in Mainz. Der Ort, an dem die Konrad-Adenauer-Stiftung ihren Sitz hat. Ein großes Eisentor empfängt die Menschen, die beim Anblick meines Sohnes freundlichst lächelnd an mir vorbei Richtung Innenhof laufen.

Das ist mir ehrlicherweise selten passiert. Dass ich an einem Ort mit meinem Baby so gerne gesehen bin wir hier. Auch wenn es selbstverständlich sein sollte. Aber da sieht man wieder, dass der Anblick von Kindern in unserer Zeit so selten geworden ist. Dass sie „weggesperrt“ werden, weil sie als Störfaktor und Unruhestifter empfunden werden. Menschen, wenn auch kleine Menschen, die sich nicht kontrollieren können, die nicht unbedingt leise sind, wenn man es von ihnen verlangt.

Aber hier ist es anders. Ein anerkennendes Lächeln und ein wohlwollendes Nicken für alles, was ich als Mama im Alltag mit zwei selbstbetreuten Kindern leiste. Ein Schulterklopfer nach dem anderen.

Überhaupt zehre ich nachhaltig von der Warmherzigkeit dieser Veranstaltung.

Hier wird die Stimme für die Familie erhoben.

Das war für mich als Bloggerin zur U3-Betreuung interessant, aber auch in meiner Funktion als Vorstandsmitglied des Verband Familienarbeit e.V. Beides habe ich sehr gerne repräsentiert und fleißig Visitenkarten verteilt. 🙂

Der sehr sympathische Gastgeber und Herausgeber des gleichnamigen Buches „Ohne Familie ist kein Staat zu machen – Zeit zum Umdenken“ Karl-Heinz van Lier lädt zur Matinee. Beginn 11 Uhr.

Nach seinen ersten Worten war ich bereits abgeholt, und kam in den nächsten 2,5 Stunden aus dem zustimmenden Nicken nicht mehr raus. Am liebsten hätte ich laut gejubelt vor Einverständnis.

Der Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Dr. Paul Kirchhof, der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Rheinland-Pfalz, Christian Baldauf und der Bischof von Mainz, Dr. Peter Kohlgraf. Der Sozialrichter Jürgen Borchert, sowie Sylvia Pantel als Mitglied des Bundestags. Sie alle kamen zu Wort. (Mit Klick auf die Namen kommst Du direkt zu den Vorträgen)

Finn wurde inzwischen unruhig, so dass ich ihn vor der Tür ins Tragetuch legte. Er schlief bald ein, so dass ich zur Bachkantate ‚Schlendrian‘ der Veranstaltung mit einem inzwischen schlafenden Baby wieder beiwohnen konnte.

Gerade pünktlich zum Vortrag des Sozialrichters Jürgen Borchert. Ihn möchte ich schon lange kennenlernen, nicht zuletzt, weil er Vorsitzender Richter des hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt war, meiner Heimatstadt. Ich hatte im Laufe der letzten drei Jahre schon diverse Berührungspunkte im World Wide Web mit diesem beeindruckenden Mann, der durchaus deutliche Worte findet, wie ich abermals in seiner Rede feststellen darf.

Ich mag Menschen, die aufstehen und etwas tun. Denen es egal ist, wie andere auf das reagieren, was sie sagen. Die ihre Meinung haben, und diese kundtun. Um etwas zu verändern. Um Dinge zu verbessern. Um aufzuklären und aufzuzeigen.

Er ist einer davon.

Besonders gefreut habe ich mich auch, da er nach der Veranstaltung auf mich zukam. Einfach um zu fragen, wie alt Finn ist. Wir kamen direkt in ein sehr angeregtes Gespräch, zu dem seine Lebensgefährtin hinzustieß. Ich bin beeindruckt von diesen beiden Menschen.

Leider kam ich nicht dazu, mit allen zu sprechen. Ich glaube, ich hätte Tage dort in dieser Runde verbringen können, und die Gespräche wären niemals langweilig geworden.

Sylvia Pantel ist Mitglied im Familienministerium des Bundestags. Als Mutter von fünf Kindern, die sie selbst betreute, weiß sie, was in uns Müttern vorgeht. Ihre Rede, eine Mischung aus Sachlichkeit und Emotionen. Sie schaffte es mit ihrem Verständnis meine Tränenkanäle zu öffnen.

Später beim Mittagessen hatte ich noch einmal die Chance, mit dieser beeindruckenden Karrierefrau und Super-Mutter ins Gespräch zu kommen. Nicht verwunderlich erzählte sie, sie sei mit ihrer Einstellung, was wahre Familienorientierung bedeute, im Familienministerium schier allein auf weiter Flur. Nicht nur das, man habe sich auch schon bemüht, sie mundtot zu machen.

Während ihrer Rede spürte ich den starken Impuls nach vorne zu laufen und selbst sprechen zu wollen, vor all diesen fremden Menschen. Weil sie sich nicht fremd anfühlten. Eher wie eine sehr große Familie. Gleichgesinnte. Ein Schlag Mensch, der verstanden hat, worum es im Leben geht: Die Familie!

Wie meine beste Freundin, ihres Zeichens promovierte Wissenschaftlerin, es formulierte: „Ich möchte nicht nur Bücher an meinem Grab stehen sehen.“

So schicke ich ein Hoch für alle nach draußen, die sich gegen den Strom der Fremdbetreuung auflehnen.

Und für diejenigen, die so mutig sind, ihre Kinder in diesen Zeiten selbst zu betreuen.

Chapeau.

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Neben mir war bei der Veranstaltung auch meine Bekannte Andrea Tichy, Mitautorin des Buches „Schadet die Kinderkrippe meinem Kind?“ des Herausgebers Prof. Serge Sulz. Sie hatte an diesem Tag „Kinderfrei“ und konnte so den Vorträgen aufmerksam(er) lauschen. Das hat sich bezahlt gemacht, denn so gibt sie uns zusätzliche Einblicke, die ich teilweise gar nicht mitbekommen habe. Lassen wir sie zu Wort kommen:

 

„Als Ergänzung zu Jenniffers tollem Bericht möchte ich auch noch gerne ein paar Dinge zu der Veranstaltung loswerden.

Auch ich habe es sehr genossen, unter Menschen gewesen zu sein, die „Familie“ so sehen wie ich. Von den sehr interessanten Vorträgen und Gesprächen sind mir ein paar Dinge besonders im Gedächtnis geblieben:

Ein großartiger, warmherziger Gastgeber, Karl-Heinz van Lier, langjähriger Leiter der Konrad-Adenauer-Stiftung in Mainz, dem Familie schon seit vielen Jahrzehnten ein Herzensthema ist. Ich kann nur jedem das Buch, das er herausgegeben hat, ans Herz legen, ich habe es gekauft und schon ein wenig quer gelesen. Es vereinigt ganz viele verschiedene Blickwinkel auf Familie, u.a. herausragend für mich ist ein Artikel, den die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder geschrieben hat über die „Grenzen der Vereinbarkeit von Karriere und Kindern“. Zur Erinnerung: Kristina Schröder war diejenige, die sich wohltuend vom Rest der letzten Familienministerinnen abgegrenzt hat, indem sie sich für ein Betreuungsgeld einsetzte und immer auf eine Wahlfreiheit von Eltern zwischen Selbst- und Fremdbetreuung gepocht hat.

Dass Herr van Lier auch noch einen ganz persönlichen Zugang zu dem Thema hat, hat er zu Beginn auf eine sehr berührende Art und Weise erklärt: Er ist in den ersten Jahren seines Lebens in einem Heim aufgewachsen und hat durch diese Zeit nach eigener Aussage einige Schädigungen davongetragen, vom Hospitalismus mit Kopfwackeln bis zu massiven Bindungsproblemen. Erst seine Pflegefamilie hat mit viel Liebe diese Schäden repariert.

Seither sei ihm – so seine bewegende Ansprache – bewusst, wie unersetzbar Zuwendung, Liebe und Zeit durch die Eltern für die gesunde Entwicklung von Kindern sind. Ebenso sei ihm bewusst, dass der Staat bzw. eine staatliche Betreuung niemals diese Liebe geben oder ersetzen könne.

Zwei Dinge, die mir noch aus seiner Rede im Gedächtnis geblieben sind:

Man muss sich immer vor Augen halten, so sagte er, wer das viele Geld für den Ausbau der Kitas und das „Gute-Kita-Gesetz“ von Frau Giffey, bereitstelle: Das sei der Finanzminister Olaf Scholz, derselbe, der vor einigen Jahren den Ausspruch getan hat:

„Die Regierung will mit dem Ausbau der Ganztagsbetreuung eine ‚kulturelle Revolution‘ erreichen. Wir wollen die Lufthoheit über die Kinderbetten erobern!“

Und die zweite Erzählung von Herrn van Lier: WissenschaftlerInnen wollten die Risiken der frühen Fremdbetreuung näher untersuchen, da es in Deutschland eine solch umfassende Studie bisher nicht gibt. Sie haben sich deshalb an die DFG (das ist die größte deutsche Forschungsgemeinschaft) gewandt. Ihr Antrag wurde von der DFG mit folgender Begründung abgelehnt: Dieses Thema wäre momentan nicht opportun!

Sagt das nicht alles aus?!

Neben Herrn van Lier wird mir vor allem Sylvia Pantel, eine Politikerin, die für Familienthemen im Bundestag sitzt, in Erinnerung bleiben. Sie hat eine sehr engagierte Rede „mit viel Herz“ gehalten, mit der sie mir – ähnlich wie Jenniffer – aus der Seele gesprochen hat. Was sie am meisten ärgerte, dass der politische Mainstream inzwischen die Meinung verbreite, dass auch „noch so engagierte Eltern eine professionelle Kita nicht ersetzen könnten“.

Ich befürchte, diese „Gehirnwäsche“ wirkt leider schon ganz gut bei einigen Eltern. Und sie sagte ebenso:

„Sie sehen das doch an mir. Ich habe mir die Zeit genommen und habe meine fünf Kinder selbst großgezogen. Und aus mir ist danach beruflich auch noch etwas geworden.“

In der „Rushour des Lebens“ wollten Eltern heute alles auf einmal und gleichzeitig: Kinder, Beruf, Karriere.

Warum ist es nicht möglich, das zeitlich nacheinander zu machen, vor allem vor dem Hintergrund, dass wir alle immer älter werden und uns noch so viel Zeit „danach“ im Beruf verbleibt? fragte sie sich und uns. Eine sehr wichtige Frage, wie ich finde. Zumal es vielen Familien ja auch nicht so gut bekommt, alles auf einmal zu machen – steigende Erschöpfungserkrankungen sprechen da eine deutliche Sprache.

Alles in allem war es eine emotional berührende, sehr engagierte Veranstaltung zu einem der wichtigsten gesellschaftlichen Themen überhaupt. Am meisten gefreut hat mich, dass Herr van Lier sowohl an unserem Buch („Schadet die Kinderkrippe meinem Kind“) großes Interesse gezeigt hat, als auch an einem weiteren persönlichen Austausch mit Jenniffer zusammen. Es ist sicher für unser Thema sehr gut, auf einen solchen Unterstützer zählen zu können.“

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