Wie es dazu kam
‚Familienfreundliche Gemeinde‘. Seit Ende 2018 noch das Zusatzzertifikat ‚kinderfreundliche Gemeinde‘ laut UNICEF. Das ist St. Peter am Ottersbach im Süden Österreichs, an der slowenischen Grenze.
Wo, wenn nicht in einem solchen Ort fühlt man sich als Mutter, die die Selbstbetreuung ihrer Kinder lebt und andere Eltern für die Wichtigkeit der ersten drei Lebensjahre sensibilisiert, willkommen?!
Im Herbst 2018 bekam ich die Anfrage der Gemeinde St. Peter am Ottersbach in der Person von Claudia Haiden. Ihres Zeichens 9-fach-Mama, der mein Herzensthema ein ebenso wichtiges Anliegen ist.
Ob ich mir vorstellen könne, in Österreich meinen Vortrag „Kinder brauchen Mütter – Warum Selbstbetreuung gerade in den ersten drei Jahren so wichtig ist“ zu halten.
Von langer Hand geplant, in verschiedenen Versionen der Umsetzung durchdacht, ging es am 18. Mai 2019 für Finn (1) und mich mit dem Flieger von Deutschland nach Österreich.
Fokus auf die Lösung, nicht auf das Problem!
Die Reise – Herausforderung mit explorierendem Kleinkind
Was braucht ein Kind von seinen Eltern?
Zeit.
Liebe.
Geborgenheit.
Vereinfacht formuliert.
Mein Vortrag handelt von den Bedürfnissen eines Kindes unter drei Jahren. Dass unser Baby Finn mit auf die Reise geht, das stand für mich außer Frage.
Kinder brauchen Mütter. Vor allem die Kleinsten. Dass ich trotzdem meinen Vortrag halten wollte, sollte für mein Kind nicht bedeuten, sich schon so früh für einen längeren Zeitraum (über Nacht) von seiner Mama trennen zu müssen.
Unser aller Tag begann schon früh. Mein Wecker klingelte um 5 Uhr, naja, eigentlich tat er das nicht, denn ich war schon früher wach. Tatsächlich lag ich bereits seit 2 Uhr nachts wach im Bett und konnte vor Vorfreude nicht mehr einschlafen.
Endlich mal wieder fliegen.
Endlich mal wieder Österreich.
Vor Menschen stehen und mein Herzensthema in die Welt rufen…
Der Hinflug verlief reibungslos. Finn, mein kleiner Forscher und Entdecker, war zwar nur schwer auf dem Sitz mit Anschnallgurt zu halten. Er flog aufgrund seines Alters als sogenannter ‚Infant‘, das heißt, er hatte keinen eigenen Sitz, sondern saß auf meinem Schoß.
Als ehemalige Flugbegleiterin konnte ich ihm genau erklären, was wann während des Rollens, Startens, Reiseflug und Landung passierte, und obwohl er noch nicht sehr viel verstand, kaute ich ihm sein Ohr ab. Irgendwie funktionierte das gut.
Leider hatten wir auf dem Hinflug keinen Fensterplatz bekommen, aber auch vom Gang aus konnte ich im Reiseflug die schneebedeckten Berge der Alpen sehen, immer wieder faszinierend für mich.
Ein Kaltgetränk und ein Küchlein später wurde bereits der Sinkflug eingeleitet und wir nahmen Kurs auf den Flughafen Graz.
Nur mit Handgepäck ausgestattet marschierten Finn (in der Trage vor meinem Bauch) und ich schließlich im Terminal Richtung Ausgang, wo schon Claudia Haiden auf uns wartete. Ich nickte ihr zunächst zögernd aber lächelnd zu, unsicher, ob sie die Person ist, die ich treffen sollte.
Obwohl wir uns nicht persönlich kannten: Die Konversation per Mail über Monate hinweg trug definitiv dazu bei, dass wir uns direkt sympathisch und fast sogar vertraut waren. Wir beide freuten uns sehr, einander endlich kennenlernen zu dürfen und umarmten uns zur Begrüßung freundschaftlich.
Die Autofahrt dauerte etwa eine Stunde, gefühlte fünf Minuten. Wir plauderten ohne Punkt und Komma. Verbunden im Wissen, wie wichtig eine Mutter für ihre Kinder ist. Als 9-fach-Mama ist Claudia natürlich ein absoluter Profi mit jahrzehntelanger Berufserfahrung. Ich hätte ihr ewig zuhören können.
Dankbarkeit erfüllt mich, dass sie den Weg auf sich nahm, um uns abzuholen und am nächsten Tag auch wieder hinzubringen. Im Vorfeld organisierte sie sogar einen Kindersitz für Finn.
Wenn sich Privates und Berufliches trifft – so macht Arbeiten Spaß!
Der Vortrag – Wenn das Baby mittendrin wach wird
Um 14 Uhr trafen wir uns vor dem Gebäude der Marktgemeinde, für mich in Laufweite von dem Gasthof, in dem wir für die kommende Nacht untergebracht waren.
Der Vortrag war für 15 Uhr angesetzt, so dass wir genug Zeit hatten, die Technik einzustellen, damit alles reibungslos verlaufen konnte. Ich hatte es mit Profis zu tun, soviel war klar.
Der neue Sitzungssaal der Marktgemeinde war nicht nur optisch ein absolut schöner Raum, sondern auch technisch perfekt ausgestattet. Ich konnte wählen zwischen einem Handmikrofon oder einem, das auf dem Rednerpult steht, und entschied mich für Letzteres. Die riesige Leinwand zeigte meine sorgfältig ausgearbeitete Power Point Präsentation an.
Die Teilnehmer konnten kommen. Wir waren soweit. Entspannt setzte ich mich, mit dem in der Trage vor meinem Bauch schlafenden Finn, auf einen Stuhl.
So wenig aufgeregt war ich noch nie vor einem Vortrag. Ich ruhte in mir selbst, war ganz in meiner Kraft und bereit, die Herzen der Menschen auf ein Neues zu berühren.
Ich begann meine Präsentation mit ruhiger Stimme und unserer persönlichen Geschichte. An ein und derselben Stelle kommen mir jedes Mal wieder die Tränen in die Augen: Wenn ich von der schweren Anfangszeit unseres Großen spreche.
Also lieber schnell weiter…
Was in unseren kleinen Kindern vorgeht, auf die frühe Betreuung bezogen dargestellt, so beginnt es. Folgend erläutere ich, was Bindung ist, und wie wichtig das Urvertrauen ist. Warum Kinder gerade Mütter brauchen, und was eigentlich mit dem Vater ist, so geht es weiter.
Und während ich gerade darüber spreche, dass eine Mama die emotionale Tankstelle und der sichere Hafen für ihre Kinder ist, schlägt Finn an meinen Oberkörper gekuschelt die Augen auf. Ich war mit meinem Vortrag zu etwa 75% fertig, dennoch, jetzt versprach es spannend zu werden.
Und in der Tat, den Rest des Vortrags durfte ich zeigen, wie gelebte Mutterschaft in vollem Einsatz aussieht. 😉
Eine Weile war er vor allem damit beschäftigt, sich zu orientieren und wach zu werden. Nach einigen Minuten fing er ebenfalls an, zu erzählen. Die ausschließlich weiblichen Zuhörerinnen lachten. Naja, wenn ich bei diesem Vortragsthema nicht auf Verständnis der Teilnehmer stoße, bei welchem denn dann?!
Ich versicherte mich, dass man mich trotz Finns Hilfe noch gut verstand, und setzte meinen Vortrag unbeirrt fort, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, in dem Finn mir den Mund zuhielt. 😉
Mal ehrlich: Wenn wir Mütter eines sind, dann Multitaskingfähig.
Also zielbewusst weiter…
Spannend war vor allem, als mein Sohn nicht mehr in der Trage bleiben wollte. Ich setzte ihn auf den Boden, und obwohl Claudia Haiden in weiser Voraussicht eine große Decke mit tollen Spielsachen ausgebreitet hatte, schaute mein Sohn nur kurz hin, um gleich darauf in die andere Richtung zu den offensichtlich wesentlich interessanteren Kabeln zu krabbeln. Die Teilnehmer lachten wieder. Offensichtlich ein bekannter Anziehungspunkt für kleine Kinder.
Im Vortrag wurde es indes theoretischer, aber nicht weniger mitreißend. Im Gegenteil. Die Entwicklung des Gehirns in den ersten drei Lebensjahren wurde dargestellt und die Studienlage zu dem Thema beleuchtet. Offene Münder schauten mich geschockt an.
Die an den Vortrag anschließenden Gespräche bestärkten mich mal wieder darin, weiterzumachen. Trotz ständiger Anfeindungen. Trotz der kritischen Masse, die mich als erzkonservativ und vorgestrig bezeichnet.
Ich werde nicht aufgeben – den (kleinen) Kindern zuliebe.
Zum Ende der Veranstaltung hin war Finn nur noch an einem interessiert:
Mama ganz für sich alleine zu haben.
Und das bekam er dann auch.
Mein Dank gilt Claudia Haiden von der Marktgemeinde St. Peter am Ottersbach und Bettina Öttl vom Eltern-Kind-Zentrum der Region Bad Radkersburg.