„Hallo Kinder, wollt ihr heute was Tolles sehen??“

Kinder: „Jaaaaaa!“

„Okay, wir gehen zum Militärlager!“

So beginnt „Bob die Bahn – Besuch im Militärlager“, das im Original „Bob the train – visit to the army camp“ heißt. Nicht schwer zu erraten (sprachlich sowie thematisch): Ein amerikanisches Format.

Okay, die Amerikaner sind mächtig stolz auf ihre Kriegsmaschinerie. Aber dass dies jetzt schon im Kinderzimmer beginnen soll?!

Da sitzt mein Kind und schaut arglos YouTube-Videos. Bob die Bahn ist bunt und fröhlich. Er hat ein lachendes Gesicht und zieht wohl nicht nur mein Kind in seinen Bann. So sitzen wir gemeinsam vor dem PC und sehen der farbenfrohen Dampflok mit dem Hut zu, wie sie die Buchstaben A-Z vom Bahnhof einsammelt, ein Farbenlied anstimmt und die Tiere eines Bauernhofs vorstellt.

Und dann kommt „es“.

Gott sei Dank schauen wir gemeinsam. Denn als Bob loslegt, fällt mir die Kinnlade runter:

 

Bob: „Was seht ihr, Kinder?“

Kind ruft fröhlich: „Wir sehen einen Panzer“

Bob: „Hallo, Herr Panzer, was machen Sie?“

Panzer: „Ich schütze unser Land. Und auch unsere Grenzen.“

 

Soweit so schlecht. Da könnte man ja unter Umständen noch einmal alle Augen und Hühneraugen zudrücken. Doch Bob fängt erst an.

Als nächstes stellt er fachmännisch fest:

 

„Hallo, Ambulanz, du siehst müde aus.“

Ambulanz: „Das liegt daran, dass ich so oft gebraucht werde. Ich helfe beim Transport der verwundeten Soldaten.“

Bob: „Ein toller Job!“

 

Ähem. Was? Ja, super Job, massenhaft verletzte Menschen zu bergen. Fehlt nur noch, dass sie die Ambulanz bei der Arbeit zeigen.

Der Flugzeugträger auf dem Meer informiert stolz:

 

„All diese Kampfflugzeuge trage ich ganz alleine.“

 

Und dann kommt mein persönliches Highlight des Entsetzens.

Der Militärhubschrauber leitet ein:

 

„Hier kommt der Bomber.“

Bomber: „Hallo Bob. Ich heiße Bomber. Und meine Feinde haben Angst vor mir. Meine Bomben können alle Ziele, zu Land und zu Wasser, zerstören.“

 

Bist Du mutig genug, Dir noch ein weiteres Militärfahrzeug anzusehen?

Tief einatmen…

Fertig?

 

Bob: „Hallo gepanzertes Personenfahrzeug.“

Gepanzertes Personenfahrzeug: „Ich bringe die Militäreinheiten zum Schlachtfeld.“

 

…und ausatmen.

Mein nicht mal zweijähriger Sohn würde zu diesem Zeitpunkt folgende Kriegsfahrzeuge kennen, die ihm ein lustiger Zug mit fröhlichem Lied auf den Lippen vorgestellt hat:

Panzer, Armeelaster, Ambulanz, U-Boot, Kriegsschiff, Flugzeugträger, Kampfflugzeug, Transporthubschrauber, Bomber, gepanzertes Personenfahrzeug, Hubschrauber, Armeeluftkissenfahrzeug und Armeejeep.

Endlich verabschiedet sich der Zug:

 

„Kinder, ich hoffe, das Armeelager hat euch Spaß gemacht.“

 

Oh ja, was für ein Spaß!!

Und morgen seht ihr: Bob die Bahn erklärt: So funktioniert ein Maschinengewehr. 😉

PS: Wenn ihr hier drückt, werdet ihr direkt zum Bewerberfragebogen weitergeleitet. Wartet aber nicht zu lange, die Plätze in der Armee sind begrenzt und heißbegehrt.

 

bob

 

Zu diesem Zeitpunkt sitze ich (alleine, denn mein Sohn hat sich das natürlich nicht angesehen!) kopfschüttelnd vor dem Computer.

Wer steckt hinter diesem Kids TV Deutschland, das so einen (gefährlichen) Mist ausstrahlt? Die Army (und wahrscheinlich seit Abschaffung der Wehrpflicht auch das deutsche Militär) haben wohl mächtig Bedarf, so dass mittlerweile frühestmöglich rekrutiert wird.

Ich erinnere mich, als ich Austauschschülerin einer High School in den USA war, dass regelmäßig in der Kantine zur Mittagszeit die Army zugegen war. Um sich vorzustellen und Fragen zu beantworten.  Da war ich 16. Die Jüngsten dort waren allerdings erst 14 Jahre alt.

Gegen Patriotismus habe ich nichts. Ich fand es sogar schön, dass die Amerikaner so stolz auf ihr Land sind, dass sie sich morgens von den Stühlen erhoben, ihre rechte Hand auf ihr Herz legten und mit geschlossenen Augen die Nationalhymne sangen. Und ich sang stolz mit.

Doch was die Glorifizierung dieser Kriegspropaganda anbelangt, da hört für mich der Patriotismus auf. Krieg – und um nichts anderes geht es hier! – darf niemals eine Lösung sein! Ein bunter Zug und fröhliche Musik vermitteln unseren Kindern hingegen Spaß.

„Letztendlich haben Eltern die Entscheidung zu treffen – und darauf zu achten – was sich ihre Kinder ansehen und was nicht“, so ein Kommentator.

Aber: Liegt es wirklich einzig und allein in der Verantwortung der Eltern? Ich denke nicht. So ein Video muss mindestens einmal zensiert werden, so dass die Eltern eingreifen können, bevor unsere Kinder schon durch das halbe Militärlager gefahren wurden.

Überhaupt ist mir in letzter Zeit vermehrt aufgefallen, was für brutale Texte wir unseren Kindern tagtäglich vorsingen, vorspielen und vorlesen.

Das tapfere Schneiderlein beispielsweise erledigt erst 7 Fliegen auf einmal und dann tötet er für die schöne Prinzessin und das halbe Königreich zwei Riesen. Bumm. Tot.

Im Kinderlied „Ein Schneider fing ne Maus“ ertönt heiter folgender Text:

 

Ein Schneider fing ne Maus – Übrigens ne Mi-Ma-Mausemaus. 😉

Was macht er mit der Maus?

Er zieht ihr ab das Fell.

Und was macht er mit dem Fell?

Er näht sich einen Sack.

 

Ach ja. Klar. Was sonst!?

Andere Beispiele:

Wenn der arme Hoppe Hoppe Reiter in den Graben fällt fressen ihn die Raben…

Bambis Mutter wird vom Jäger erschossen und Bambi läuft selbst beinahe ständig vor die Flinte.

Bei Robin Hood geht es um Intrigen, Macht, Gier und Hass. Ein ganzes Kapitel handelt davon, wie ein Galgen errichtet wird.

Selbst der süße kleine Bär und der liebe kleine Tiger von Janosch wären auf einer Insel wohl jämmerlich für immer und ewig gestorben, wenn sie nicht der große Vogel Kranich gerettet hätte.

So viel Tod und Gewalt.

Ich bin ständig bemüht, Emils kindliche Unschuld zu erhalten. Viel zu früh wird er mit diesen Themen in Kontakt kommen. Dann werde ich es nicht mehr beeinflussen oder verhindern können. Noch kann ich es aber. Weswegen Bob die Bahn nicht mehr durch unser Kinderzimmer fahren wird, und Bambi, sowie Robin Hood Hausverbot haben. Weitere werden folgen.

Hiermit beschlossen und verkündet!

 

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