In der Vorbereitung auf meinen Vortrag „Hilfe, mein Kind gehorcht nicht – Was ist wichtig für eine schöne Eltern-Kind-Beziehung?“ habe ich den Psychoanalytiker und Autor Dr. Hans-Joachim Maaz um Rat und Antworten gebeten. Ihn hatte ich bereits im Juli 2018 in Halle für unser gemeinsames Interview getroffen.

Die Antwort zur Frage „Ist Gehorsam erstrebenswert“ empfinde ich so wichtig, dass ich sie gerne hier auf dem Blog veröffentlichen möchte:

 

„Gehorsam“ ist ein durch autoritäre Erziehungspraktiken belasteter Begriff. Es sind Machtverhältnisse damit angesprochen: einer gibt Anweisungen, der andere muss gehorchen. Für Eltern-Kind-Beziehungen natürlich nicht zu empfehlen. Wir wünschen uns keine Objekt(Kind)-Subjekt(Eltern)-Erziehung, sondern eine Subjekt-Subjekt-Beziehung. Das heißt aber nicht, dass Eltern und Kind „auf Augenhöhe“ sind. Eltern tragen Verantwortung für Situationen und Entscheidungen, die Kinder noch nicht kennen oder nicht verstehen oder nicht überschauen können. Es gibt also immer Situationen, in denen Kinder „gehorchen“ müssen, um Gefahren oder Schaden abzuwenden. Das heißt, man wird also nicht ohne klare Ansagen („Befehle“) auskommen, was ein Kind tun oder lassen muss. Der Befehlscharakter löst sich dann aber auf, wenn eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Eltern und Kind besteht. Damit eine solche Beziehung entsteht, sind folgende Verhaltensweisen von Eltern hilfreich bis erforderlich.

  • dem Kind zuhören
  • das Kind verstehen wollen, was es meint, will, braucht, befürchtet u.a.
  • mit verständlichen Erklärungen reagieren – Nicht: „Das verstehst Du noch nicht!“, sondern sich um kindgerechte Erklärungen bemühen.
  • notwendige Ansagen müssen eindeutig sein: „ja!“ oder „nein!“ oder „wir (ich) werde das herausfinden, klären usw.!“
  • die elterlichen An- oder Aussagen müssen „echt“ sein, d. h. Aussage und Gefühl müssen übereinstimmen- Z.B. „Das ist jetzt ganz wichtig!“, „Das muss jetzt so sein, weil…!“, „Das macht mir Sorge oder Angst, weil…“)
  • notwendige Gebote und Verbote müssen kindgerecht erklärt werden, wobei Ich-Botschaften (keine Du-Botschaften) wichtig sind, z.B. „Ich kann/will jetzt nicht, weil…“ statt „Du musst Rücksicht nehmen!“, „Du verlangst zu viel.“
  • Eltern machen ihre Grenzen deutlich (überfordert, müde, keine Lust, kein Interesse, keine Zeit) und betonen, dass das ihr Problem ist, was man auch bedauern kann und sich entschuldigen kann. Kinder werden erst zu „Tyrannen“, wenn Eltern ihre Situation und ihr Verhalten nicht eindeutig erklären.

Nur „Gehorsam“ erzeugt Stress auf beiden Seiten mit der Folge der Hemmung lebendiger Entwicklung oder des heimlichen Protestes (Erkrankung, Verhaltensstörungen, Konflikte). Befehlen und gehorchen wird überflüssig durch Kommunikation (zuhören, verstehen, sich selbst mitteilen, gemeinsame Lösungen finden und – wenn notwendig – klare Ansagen machen. In einer empathischen Beziehung sind klare Ansagen, Verpflichtungen überhaupt keine Belastung, sondern echte Hilfen für Halt und Orientierung. Kinder werden heute dadurch häufiger überfordert, dass sie selbst etwas entscheiden sollen, was sie noch nicht können. Gut erklärte Forderungen sind eine wesentliche Entwicklungshilfe.

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