Josis Wunsch war es, Kinder und Job miteinander zu vereinbaren. Keine leichte Aufgabe, wie jede Mami weiß, die das versucht. Mit der Gründung eines Eltern-Kind-Büros und einem gut ausgeklügelten Konzept hat sie sich diesen Wunsch erfüllt. Sie hatte eine Idee, hat recherchiert und gehandelt. Lese in diesem Interview, wie eine solche Vereinbarkeit in der Realität aussieht und womit Josi Geld verdient.
Wenn Du weitere Interviews von Mamis lesen möchtest, die Geld verdienen und trotzdem ihre Kinder selbst betreuen, dann lege ich Dir mein E-Book „Selbstbetreuen und Geld verdienen“ ans Herz. 😀
Erzählst Du uns etwas über Dich und Deine Familie?
Ich bin Josi, 31 Jahre alt und lebe mit meinem Freund und zwei Söhnen (11 und fast 2) in Markkleeberg, südlich von Leipzig. Wir kommen ursprünglich aus der Nähe von Augustusburg bei Chemnitz (Mittelsachsen, Erzgebirgsvorland) und sind 2012 hierhergezogen. Hier haben wir seit 2016 auch einen eigenen Garten und sind gern draußen. Die dörflichen Strukturen vermisst man schon in der Stadt, doch Markkleeberg ist eine gute Mischung – nicht ganz dörflich und nicht ganz so stark städtisch.
In meiner Freizeit bin ich gern, neben der Gartenarbeit in den warmen Monaten, kreativ und stricke, nähe, bastle und spinne am Spinnrad. Dazu ist aber seit dem letzten anderthalb Jahr immer weniger Zeit…
„Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ – DIE Herausforderung der heutigen Zeit. Ihr habt eine Lösung gefunden. Welche?
Ja, als ich mit dem Jüngsten schwanger war, habe ich mich mit allerlei alternativen Themen beschäftigt – noch mehr als zuvor. Gesundheit, selbstbestimmte Geburt und Bindung. Und schließlich kamen wir auf das Thema Fremdbetreuung und so bin ich auch auf die Seite kindergartenfrei.org gestoßen. Dort habe ich von den Rockzipfel-Initiativen und Eltern-Kind-Büros gelesen. Natürlich habe ich mich gefragt, wie man so etwas logistisch und organisatorisch meistert, ohne dass jemand die rechtliche „Popo-Karte“ zieht. Schnell war klar, es muss vorher ein Verein gegründet werden, der „den Hut auf hat“. So habe ich mich beim Rockzipfel in Leipzig-Lindenau beraten lassen und schließlich eine Webseite gebaut, Flyer entworfen und Mitstreiter gesucht.
Das war im Sommer 2016. Im Winter 2016/2017 habe ich mich dann die ersten Male mit einer ganz kleinen Gruppe Interessierter getroffen und wir haben uns auf grobe Punkte zum Eltern-Kind-Büro und dem Verein verständigt. Am 11.2.2017 war dann die Gründungssitzung des „Rockzipfel Markkleeberg“. Seitdem haben wir die meiste Energie in Werbung und die Immobiliensuche gesteckt. Und nun, nach mehr als 10 Monaten der intensiven Suche, endlich geeignete Räumlichkeiten gefunden. Nicht in Markkleeberg, aber nah dran.
Bei dem Eltern-Kind-Büro geht es darum, dass die Eltern und ihre Kinder den Tag gemeinsam verbringen können. Und die Mütter und Väter, wenn sie wollen, trotzdem arbeiten können. Wir wollen den Eltern, die ihre Kinder nicht schon mit einem Jahr in die Krippe geben wollen, eine echte Alternative bieten. Viele von ihnen wollen sich nicht zwischen Job und Kind entscheiden müssen, sondern eine harmonische Balance in ihrer Familie und in ihrem Leben finden.
Wie oft ist das Büro geöffnet? Muss man sich vorher anmelden oder kann man kommen und gehen, wann man will?
Unser Büro ist immer montags bis freitags von 9.00 bis maximal 17.00 Uhr geöffnet. Wenn wir mal Urlaub machen, wird das auf der Homepage stehen. 😉
Zu der Krabbel- und Spielegruppe, die wir wöchentlich organisieren, kann jeder kommen. Eine Anmeldung ist aber durchaus sinnvoll, da unsere Räume nicht sehr groß sind. So kann man uns erst einmal kennenlernen.
Was die Nutzung des Eltern-Kind-Büros betrifft, bieten wir neuen Nutzern zwei Schnupperwochen an. Danach können sie sich entscheiden, ob sie weitermachen wollen und wie oft das sein soll. Wir bieten Vollzeit- und Teilzeitnutzungstarife an. Ja, man muss vorher verbindlich Bescheid geben, wann man kommt, so dass wir eine Planung aufstellen können. Wir wollen nicht nur uns, sondern vor allem den Kindern einen stabilen Tagesablauf und zuverlässige Betreuer bzw. Bindungspersonen an die Seite stellen.
Ist der Aufenthalt dort mit Kosten verbunden?
Ja. Wir vergeben Teilzeit- oder Vollzeittickets. Die Schnupperwochen gibt es zu einem vergünstigten Preis. Mit diesen Einnahmen finanzieren wir die Raummiete und andere Kosten wie Strom, Internet, Telefon, Versicherung und Einrichtung. Da wir als Verein aber nicht gewinnorientiert arbeiten dürfen, halten sich die Preise für die Tickets natürlich in Grenzen, denn diese orientieren sich an der Anzahl der Nutzer. Ein Vollzeit-Ticket ist somit günstiger als ein Vollzeit-Krippenplatz. Mit dem Vorteil, dass man die volle Entscheidungsgewalt über das eigene Kind behält und nicht an eine Kita abgibt.
In welchen Städten gibt es solche Büros schon?
Nach meiner Kenntnis gab es das erste Rockzipfel-Büro in Leipzig, das noch immer in Lindenau zu finden ist. Weitere Büros gibt es in Bonn, Hamburg, Berlin, München, Dresden usw. Das heißt, in Sachsen immerhin schon drei. 😊 Die genaue Anzahl weiß ich jetzt aber nicht genau. Wir „Rockzipfler“ stehen untereinander in Kontakt über Mail und Facebook und helfen uns gegenseitig bei Problemen. So merkt man, dass jede Stadt mit ihren regionalen Problemen zu kämpfen hat, viele Problemstellungen sich aber doch immer wieder ähnlich sind.
Wie alt sind die Kinder im Schnitt, die zur Arbeit mitgenommen werden? Was machen die Kinder in der Zeit? Wie und von wem werden sie betreut? Was ist, wenn man sich mal auf eine Aufgabe konzentrieren muss, ohne unterbrochen zu werden?
Die Jüngsten sind etwa ein Jahr alt, die Ältesten etwa drei Jahre oder etwas älter.
Stelle Dir das Büro wie eine normale Wohnung vor, nur mit einer etwas anderen Aufteilung: Im Arbeitszimmer arbeiten die Eltern, also meist sind es ja Mütter, die zu uns kommen, während die Kinder im Spielzimmer von einer oder zwei (je nach Belegung) anderen Müttern betreut werden. Das heißt, wenn die Kinder gut eingewöhnt sind, klappt die Betreuung oft problemlos.
„Unsere“ Kinder und wir Mütter in der aktuellen Besetzung kennen uns seit mehr als einem Jahr. Wir haben uns durch unsere vereinseigene Krabbelgruppe ein halbes Jahr vor der Eröffnung des Büros aneinander gewöhnt, uns intensiv kennengelernt.
Mittlerweile akzeptieren unsere Kinder die anderen Mütter sehr gut als Betreuer. So gibt es nur selten Probleme, außer die Kinder sind mal unleidlich wegen anbahnender Krankheiten oder dergleichen. Das konzentrierte Arbeiten klappt also recht gut.
Um die Mittagszeit wird gemeinsam gegessen und danach die Kinder ins Schlafzimmer zu Bett gebracht. Nun können die Eltern, wenn sie wollen, weiter arbeiten oder sich ebenfalls ausruhen. Nach dem Mittagsschlaf geht es nachmittags weiter wie es auch vormittags lief – jetzt aber mit einer anderen betreuenden Mutti.
Was genau machst Du beruflich?
Ich bin Bürokauffrau in Elternzeit und habe mich vor einiger Zeit in Absprache mit meinem Arbeitgeber selbstständig gemacht. Ich biete Finanzbuchhaltung und Transkriptionen an.
Braucht es Vorkenntnisse, um buchhalterisch arbeiten zu können?
Ja, das sollte es allerdings. 😉 Idealerweise hat man einen Beruf mit betriebswirtschaftlichem Hintergrund erlernt – ich selbst bin Bürokauffrau – oder ist zum Beispiel Steuerfachangestelle/r. Ich hatte das Glück, den Großteil meiner Ausbildung in der Finanzbuchhaltung verbringen zu dürfen. Meine Ausbilderin war wirklich klasse und hat mir viel beigebracht, hier wurde meine Leidenschaft für Zahlen geweckt (trotz dessen, dass ich die Abitur-Matheprüfung gerade so geschafft habe), wodurch ich, trotz Scheidung in dieser Zeit, die Ausbildung mit einem Einser-Schnitt schaffte. Später dann arbeitete ich auch in anderen Abteilungen und jetzt, das letzte anderthalb Jahr vor der Elternzeit, war ich wieder in der Buchhaltung beschäftigt.
Welche anderen Tätigkeiten kann man in einem solchen Eltern-Kind-Büro ausüben?
Man kann alles arbeiten, was man ohne feste Anwesenheit im Firmenbüro ausüben kann. Also viele selbstständige (Büro-) Jobs, Homeoffice, Vertriebsarbeiten… Wir haben auch Studenten hier, die ihre Master- oder Bachelorarbeiten schreiben oder einfach nur in Ruhe lernen wollen. Ich selbst mache nebenbei auch eine Weiterbildung mit Webinar zum Thema Lohn- und Gehaltsbuchhaltung.
Gibt es etwas, das Du unseren Lesern noch sagen möchtest?
Ja, auf jeden Fall.
Mir wurde in den letzten Monaten immer wieder von vielen Seiten gesagt: „Josi, das ist echt krass, wie du dich engagierst. Ich könnte das nicht.“ Ja gut, jeder ist anders. Aber zunächst einmal bin ich genauso normal wie alle anderen auch. Mein Stresslevel ist nicht höher als bei anderen. Mein Tag mit zwei Kindern ist genauso voll wie in allen anderen Familien auch. Ein Projekt wie dieses aufzuziehen, vor allem, wenn man anfangs allein ist, ist unglaublich zäh, anstrengend und man will öfter alles hinschmeißen als einem lieb ist. Einen Verein zu gründen ist ebenso eine riesige Aufgabe. Gerade vor allem, wenn man sich nebenbei noch selbstständig macht und das jüngste Kind nachts partout nicht länger als zwei Stunden am Stück schläft.
Aber, und das unterscheidet mich wohl von vielen meiner Zeitgenossen, bin ich unglaublich idealistisch. Wenn ich etwas als richtig und wichtig erkenne, dann brenne ich dafür und möchte es auch leben. Dieser Idealismus kommt mir beim Aufbau dieses Projektes natürlich zugute. Dennoch behindert er mich auch oft. Denn es ist oft ein naiver Idealismus. Ich glaube an das Gute im Menschen und habe meine Probleme mit Zurückweisung oder Ignoranz. Gerade das Thema Fremdbetreuung ist ja politisch prädestiniert dafür.
Ich bin sehr traurig darüber, dass so viele unser Projekt toll finden und (eventuell) auch dabei sein wollen, aber sich nicht mit engagieren wollen und nichts investieren wollen. Das letzte anderthalb Jahr haben wir unglaublich viel Werbung gemacht und Aufrufe gestartet. Dennoch haben wir nur eine Handvoll Spenden erhalten. Das heißt, fast alle Investitionen in das Eltern-Kind-Büro haben wir, und hier spreche ich vor allem von mir und meiner Vorstandskollegin Katharina, privat mit Unterstützung unserer Partner gestemmt. Ich würde mir also mehr wünschen, wenn die Menschen da draußen vom Reden endlich ins Handeln kämen. Mir geht dieser, ich nenne es „Online-Aktivismus“, gehörig auf den Geist. Online gibt es viele Klicks, nette Kommentare, liebe Nachrichten und Versprechungen. Aber in der Realität passiert fast nichts.
Niemand muss so ein Projekt wie unseres aus dem Boden stemmen. Aber wenn man es wichtig findet, dass es so etwas gibt, dann sollte man schon ab und an seine Ressourcen auch teilen können. Sei es Zeit, Geld oder nur ein paar Möbel oder Kuscheltiere. Jeder Verein, und vor allem die kleinen so wie unserer, freut sich über 5 € oder ein kostenfreies Päckchen Kaffee.
Und ansonsten möchte ich sagen: Hab Mut! Die Welt wird nicht eine andere, weil Du hoffst, dass jemand anderes etwas tut, das Du gern möchtest. Die Welt wird jene, die Du Dir schaffst. Du bist Schöpfer, sei Dir dessen bewusst. Und dann geh hinaus und tu etwas Gutes.
Finanziell unterstützen kannst Du den Rockzipfel Markkleeberg hier.