Zu den bisherigen Artikeln, in denen Methoden beschrieben sind Probleme besser lösen zu können hier noch ein ergänzender Beitrag, der diese erfolgreiche Kommunikationsart deutlicher darstellen will.
Johanna Graf geht in ihrem Buch Familienteam – das Miteinander stärken, 2005, einen mitmenschlich wesentlichen Schritt weiter. Sie bietet darin sogar einen gesamten Werkzeugkasten für die Kommunikation in der Familie an.
Im Folgenden werde ich Auszüge aus ihrem 3. Schritt: einfühlsames Zuhören verwenden und überarbeitet wiedergeben.
Untertitel: „Wie man Kindern hilft, in der rauen Welt zurechtzukommen.“
Auffällig ist mir statt „aktives Zuhören“, wie oben, von vornherein „einfühlsames Zuhören“. Das scheint mir sofort konkreter und fassbarer in der Gefühlsebene, sogar fast ohne weitere Erklärungen.
Sie verwendet folgende Hinweise:
„Durch Brille des Kindes sehen,
in den Schuhen des Kindes gehen,
mit dem Herzen des Kindes fühlen.“
Voraussetzungen für gelingendes einfühlsames Zuhören
Annahme: Den Mitmenschen grundsätzlich so annehmen wie er/sie ist. Die Grundhaltung zeigt: Ich stehe dir bei. Ich nehme dich ernst. Du bist mir wichtig, egal wie du dich verhältst. Das ist eine wesentliche erste Voraussetzung für die zwei folgenden. Wir Eltern nehmen unsere Kinder unvoreingenommen an und haben damit die besten Voraussetzungen – besonders bei Müttern war das eigentlich schon immer so.
Akzeptanz: Die Gefühle sind wichtig, der Situation gemäß richtig und für die Problemlösung nützlich. Es ist gut, sie zu akzeptieren und zu benennen, weil sie den Zustand eines Menschen zeigen. Das hilft dem Verständnis enorm. Gefühle sind eine wesentliche Grundlage des Lebens. Nur das daraus resultierende Verhalten können wir durch den Verstand korrigieren, die Gefühle direkt nicht. Wir reagieren gewöhnlich auch auf das Verhalten. Es hat seinen Ursprung in den Gefühlen.
Aufmerksamkeit: Frei sein zum Hören und beobachten. Blickkontakt, keine störenden Gedanken und Ereignisse. Menschen, die das Gefühl haben, man hört ihnen nicht richtig zu, ziehen automatisch den Schluss, für ihre Mitmenschen nicht wichtig zu sein. Schon kann das Ziel – die Problemlösung – gefährdet sein. Es besteht die Gefahr, dass der Mitmensch sich nachhaltig abwendet, weil er mit der Beziehung unzufrieden ist.
Inhalte des einfühlsamen Zuhörens nach Johanna Graf (Seite 58)
– Ich rufe mir meine Grundhaltung in Erinnerung: Ich bin auf deiner Seite. Ich stehe dir bei
– Ich bin achtsam und zeige meine Aufmerksamkeit
– Ich fasse die Gefühle in Worte. Die Kraft der Gefühle mit geeigneten Worten nutzen und anerkennen
– Ich gebe die Situation wieder. Erforschen Sie gemeinsam, was passiert ist. ….
– Ich stelle Verständnisfragen.“ Offene Fragen, die nicht mit ja oder nein beantwortet werden. Keine Warum-Fragen stellen -> „Kinder hören oft einen Vorwurf heraus.“
Die Reihenfolge habe ich ihrem Buch so entnommen, wie es dort ist.
Dazu ein Gefühlswortschatz auf Seite 61 in ihrem Buch von 2005, sortiert nach „wenn es mir gut geht“ und „wenn es mir schlecht geht“. Es sind jeweils mindestens 20 Wörter aufgeführt.
Versuchen wir zunächst mal Gefühlswörter ohne die Hilfe von Johanna Graf zu finden und notieren wir diese. Wenn wir dann in ihrem Buch nachsehen, werden wir weitere Wörter finden, die wir bestimmt gut verstehen können. Vielleicht kommt dann die Frage: Warum habe ich diese Wörter nicht vorher selbst finden können?
„Beim einfühlsamen zuhören verstehen wir, was der Kern des Problems, was das Bedürfnis oder das Gefühl als Grundlage des Problems ist.“
Ein Problem ist der empfundene Unterschied zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Einfühlsames zuhören ermöglicht uns die Gedanken und Gefühle anderer Personen gut zu erfassen. Damit ist es auch möglich Vorhersagen und Einschätzungen über andere Personen zu treffen. Durch Empathie lernen wir Menschen besser kennen.
Ich stehe meinem Kind bei, Gefühle zur Problemlösung zu nutzen. Dabei beobachte ich achtsam die Stimmung und bereits erste Anzeichen unangenehm (negativ) wirkender Gefühle. Johanna Graf nennt das „Emotions-Coaching“.
Beim Zuhören nicht bedrängen. Geduld bringt mehr. Nur allgemein und offen fragen, was dem Verständnis dient, um den Antworten Spielraum zu lassen. Das eigentliche Problem ist am Anfang noch nicht bekannt.
Bitte keine Ratschläge geben ohne das Ergebnis vom einfühlsamen Zuhören zu kennen und die Fähigkeit des Kindes abschätzen zu können, Lösungen selbst zu finden. Ratschläge können auch Schläge sein – oft ungewollt und unbewusst wirken sie dann eher nicht passend zum Problem.
Wenn das Problem vollständig bekannt ist, das Kind einladen, Ideen zur Lösung des Problems zu sammeln. Damit fördert man auch die Phantasie und Selbstsicherheit des Kindes.
Die Vorteile des einfühlsamen Zuhörens
– Sie erfahren etwas, was Ihr Kind sonst vielleicht nicht preisgeben würde
– Ihr Kind fühlt sich ernst genommen und verstanden
– Durch das aussprechen und anerkennen unangenehmer Gefühle flauen diese ab
– Ihr Kind kann selbst über das Problem nachdenken und eine Lösung finden
– Ihr Kind lässt Sie an wichtigen Begebenheiten aus dem eigenen Leben teilhaben
– Sie haben eine nahe, innige Beziehung
– Sie fördern die emotionale Intelligenz, Kreativität, Selbstständigkeit und das Selbstvertrauen Ihres Kindes
Das Kind lernt dabei die eigenen Probleme selbst zu lösen. In Zukunft ist diese anfängliche, vielleicht anstrengende Vorbereitung nicht mehr nötig. Manche Probleme wird das Kind dann selbst lösen und den Eltern voller Stolz davon berichten. Nutzen wir den Wunsch des Kindes nach Harmonie.
Eltern als Zuhörende und Beobachtende werden diese Kommunikationstechniken automatisch anwenden, wenn sie sie erfolgreich geübt haben. Das gleiche gilt auch bei erste-Hilfe-Kursen: Was man intensiv geübt hat, ist im Ernstfall sofort parat, weil wir von vornherein ein Bedürfnis zu helfen haben und durch üben im Vorfeld Sicherheit gewinnen.
Ein weiterer Vorteil der Einfühlsamkeit ist das Ergebnis, Menschen wirklich kennengelernt zu haben. Das fördert die Selbstsicherheit der Eltern enorm, entspannt und erleichtert das Zusammenleben sehr.
Während meiner zusätzlichen Tätigkeit, Kinder im Alter von 2 bis 6 Jahren als Hobby-Opa gelegentlich zu betreuen, ist mir aufgefallen, dass einfühlsames Zuhören nicht das einzige Mittel ist, sie kennenzulernen. Mit den Augen aktiv zu sehen, also einfühlsam und wohlwollend beobachten kann man Menschen noch besser kennenlernen und wirklich gut einschätzen.
Das einfühlsame Beobachten ist bei kleinen Kindern, die unsere Sprache kaum beherrschen, besonders wertvoll.
Kennenlernen als Voraussetzung von verstehen wird noch verstärkt, indem man die Kinder nicht lenkt sondern sie entscheiden lässt, was sie tun möchten. So lasse ich sie zu mir kommen und begleite sie in ihren Aktivitäten.
Johanna Graf baut in ihren erklärenden Texten passende Beispiele von Dialogen zwischen Mutter und Tochter ein.
Der nächste Beitrag beschäftigt sich mit der “Problemlösung mit einfühlsamen Beobachten”.
Für das einfühlsame zuhören und Beobachten brauchen wir eine passende Grundhaltung. In der Regel ist sie besonders bei Müttern vorhanden. Es ist aber unter Umständen eine große Umstellung im Umgang mit Menschen nötig. Dazu ist Geduld mit sich selbst ratsam.
Das nächste Thema beschäftigt sich mit einer Problemlösung durch einfühlsamen Beobachten mit einem aggressiven Jungen.
Einfühlsames Zuhören und Beobachten ist besonders geeignet um Menschen kennenzulernen. Das wirkt sich sehr positiv in Partnerschaften aus. Wenn diese Methoden möglichst früh angewandt werden, können wesentlich mehr Ehen länger bestehen. Für die mit betroffenen Kinder ist das gesünder. Alle sind wesentlich zufriedener.
Familiengerichte werden dadurch entlastet.
Das einfühlsame Beobachten ist bei kleinen Kindern, die unsere Sprache kaum beherrschen, besonders wertvoll.
Auch das gehört zu diesen Themen hier:
Hans-Joachim Maaz: Eine „Ur-Bindung“ entsteht, wenn das Kind in der Frühbetreuung einfühlend verstanden, bestätigt und optimal in seinen Bedürfnissen befriedigt wird. Die leibliche Mutter hat dabei die größte Bedeutung, die nicht ohne Probleme für das Kind auf andere Personen (Vater, Oma, Krippenerzieher, Tagesmutter) delegiert werden kann, weil die Ur-Bindung schon im Mutterleib, also in der Schwangerschaft und dann durch die Geburt und Stillzeit bereits prägend hergestellt wird oder auch nachhaltig gestört werden kann. Deshalb sind der psychische Zustand der Schwangeren, die Qualität der Entbindung (möglichst natürliche Geburt) und eine selbstverständlich liebevolle Zuwendung durch das Stillen von größter Bedeutung.
Auszug aus: http://familienarbeit-heute.de/?p=4917
Bei diesem Beispiel mit dem Kind „… Opa male mit mir …“ wird die Frage nach der Stimmigkeit einer sprachlichen Aussage mit den eigentlichen Gefühlen besonders deutlich. Wenn wir die Sprache der Gefühle erkennen, können wir unnötige Konflikte vermeiden.
Siehe dazu: Friedemann Schulz von Thun: „Miteinander reden – Störungen und Klärungen: Allgemeine Psychologie der Kommunikation“
Weil gewünscht, hier schon jetzt ein Beispiel:
Ein sehr frühes Erlebnis mit Kindern als Hobby-Opa zeigte mir diese weitere Kommunikationsart. Eine Mutter gab mir ihren 2-Jährigen Sohn, weil sie einen Termin hatte, bei dem sie ihr Kind nicht dabei haben sollte. Der Junge weinte mindestens eine halbe Stunden auf meinem Schoß. Ich verwehrte ihm den Blickkontakt zur Tür. Wie soll das nun weitergehen? überlegte ich eine Weile und entschloss mich schließlich zu einer Ersatz-Bezugsperson zu werden.
Während dessen kam ein 3-Jähriges Mädchen zu mir mit dem Wusch „Opa male mit mir“ Ich bat sie um Geduld, bis ich mit dem Jungen fertig bin. Sie bestand aber weiter darauf, dass ich mit ihr sofort malen sollte. Weil ich nicht sofort einwilligte, gab sie mir ihr mit ihrem Gesichtsausdruck zu verstehen, dass sie damit mit einverstanden ist. Sie machte leicht abwertende Bedeutungen.
Der Junge wechselte daraufhin vom weinen zu lachen und nahm Blickkontakt mit mir auf. In kurzer Folge konnte er sich von mir lösen und spielte mit anderen Kindern. Ich musste aber in seiner Nähe bleiben.
Während dessen kam das Mädchen zu mir, und sagte: „Ich hasse dich.“ Ich erwiderte ihr: „Ich habe dich lieb.“ Weiter: „Ich hasse dich.“ Nun widersprach ich ihr: „Nein das stimmt nicht.“ Sie: „Doch, ich hasse dich.“ Ich: „Las dir das bitte von mir als Erwachsenen erklären. Wenn du mich hasst, dann willst du mich nicht sehen. Ich soll verschwinden. Du bist aber zu mir gekommen. Dein Gesicht und dein Verhalten sagen mir, dass du ärgerlich bist, ja sogar enttäuscht von mir, weil ich nicht mit dir male. Stimmt das?“ „Ja“, war ihre Antwort. Ich sagte ihr zu, beim nächsten Mal mit ihr zu malen.