Stillen

Als mein Sohn 3 Monate alt war, wurde ich ungläubig gefragt:

„Wie!?! Du stillst noch?“

Diese Frage kennt wohl jede Mutter, offensichtlich unabhängig davon, wie lange sie stillt. Zugegebenermaßen war ich ob einer solchen Reaktion angesichts des Alters mittelmäßig erstaunt.

Und trotzdem habe ich mich damals schon so gefühlt, als wäre ich ein Alien.

Ja, wie kann ich nur!?

Ist es eventuell sogar asozial, (zu) lange zu stillen? -> Falls ja, bitte definiere „lang“.

Wie gesellschaftskonform ist das Stillen in der Öffentlichkeit (grundsätzlich, aber vor allem von Kleinkindern)? Muss mich das eigentlich wirklich jucken? Oder lege ich mir doch ein dickeres Fell zu und stehe selbstbewusst dazu, eine Mutter zu sein, die zum aktuellen Zeitpunkt einem 23 Monate alten Kleinkind die Brust gibt.

Ständig. Und überall.

Wenn ich mich so umhöre, haben die meisten langzeitstillenden Mütter sich ein paar Argumente zurechtgelegt, die sie im Falle eines Verbal-Angriffs durch Dritte raushauen können. Ich übrigens auch. 😉

Bediene Dich aus dieser kleinen Auswahl:

  • Die WHO empfiehlt grundsätzlich, zu stillen, sogar bis zum vollendeten zweiten Lebensjahr und darüber hinaus, wenn Mutter und Kind es möchten
  • Muttermilch enthält alle Nährstoffe, die ein Kind braucht
  • Die Muttermilch passt sich den Bedürfnissen des Kindes an, verändert sich also
  • Gestillte Babys (und Kleinkinder) sind seltener krank
  • Gestillte Babys entwickeln im Jugend- und Erwachsenenalter seltener bestimmte Krankheiten (bspw. Asthma oder Allergien)
  • Muttermilch fördert die Entwicklung des Gehirns
  • Muttermilch ist rein und frei von Bakterien
  • Muttermilch ist mehr als Nahrung! Die Bindung zwischen Mutter und Kind wird durch die Nähe und Zuwendung deutlich verstärkt.

Darf ich Dir an dieser Stelle unsere Geschichte in Kurzform schildern?

Jenniffer-und-Emil

Unser Emil kam 6 Wochen zu früh auf diese Welt. Im Krankenhaus wurde ich nicht einmal gefragt, ob ich stillen möchte, und mein Kind, das in einem anderen Gebäude in der Kinderklinik lag, bekam von Anfang an die Flasche. In den vier Wochen, die wir im Krankenhaus verbrachten, wurde ich nicht müde zu erwähnen, dass ich unbedingt stillen wolle, und bat immer wieder um Hilfe beim Anlegen.

Einige halbherzige Versuche später waren wir immer noch am gleichen Punkt: Es klappte nicht, auch nicht mit Stillhütchen. So pumpte ich weiterhin ab wie ein Weltmeister und mein Sohn bekam Flaschennahrung zugefüttert (oder sogar über die Magensonde sondiert), weil die abgepumpte Menge schlichtweg nicht ausreichte. Als wir endlich zu Hause waren bettelte ich meine Hebamme an, sie möge mir bitte bitte helfen, damit wir doch noch stillen konnten. Ich kämpfte um meinen größten Wunsch. Erst klappte es endlich mit Stillhütchen, dann, als wir dieses absetzten, krönte eine Mastitis (Brustentzündung) diese nervenaufreibende Zeit. Doch dann lief´s, im wahrsten Sinne des Wortes. 😉 Die ganze Stillgeschichte kannst Du Dir in diesem Video ansehen.

Dass wir so sehr dafür arbeiten mussten ist sicherlich ein Auslöser dafür, weswegen wir jetzt noch stillen. Wenn man es endlich geschafft hat, denkt man 6 Monate später nicht darüber nach, wie man möglichst schnell wieder abstillt.

Warum wir immer noch stillen hat übrigens überhaupt nichts mit rationalen Gründen zu tun. Die WHO ist uns eher wurscht, und die positiven gesundheitlichen Aspekte nehmen wir einfach dankend mit.

Aber, die Wahrheit, warum wir noch immer stillen, ist:

WIR LIEBEN ES!

Man mag mir unterstellen, ich sei eine Übermutter, könne nicht loslassen.

Doch ich meine: Kein Kind der Welt kann von seiner Mutter gezwungen werden, zu stillen. Keines!

Das heißt, eine Mutter kann nicht aus egoistischen Beweggründen zur Langzeitstillenden werden. Es ist ein Mini-Kollektiv. Ein Miteinander. Ein Zusammenspiel von Mutter und Kind. Wenn mein Kind keine Lust mehr auf die Brust hat, dann stillt es sich ab. So einfach ist das.

Ich bin froh, dass unser Sohn noch nicht sprichwörtlich die Schnauze voll hat. Denn ich bin so verliebt in ihn, dass ich seine Nähe, diese ganz besondere Nähe, sehr genieße.

Ich liebe seinen Blick, wenn er die Mimi auspackt und in dem Moment, in dem er sie sieht, über beide Ohren strahlt. Manchmal redet er mit ihnen. Er ruft „Kuckuck“ wenn sie zum Vorschein kommen oder kuschelt sich an sie und sagt (sowas ähnliches wie) „lieb“.

Diese kleinen Geschichten sind für mich unbezahlbar. Wenn wir nicht noch stillen würden, gäbe es sie nicht.

Ich bin stolz darauf, die Mama dieser kleinen Seele zu sein, und darauf, ihm etwas geben zu können, was ihm sonst niemand geben kann. Das ist unser persönliches Ding.

Ich liebe die stillen Momente. Die Augenblicke, in denen die Welt für diese Zeit stillzustehen scheint. Wenn sich unsere Augen treffen und mein Herz einen Sprung macht vor Glück. Ich ihn voller Stolz betrachte und mir wieder bewusst wird, dass dieses Kind in meinem Bauch herangewachsen ist. Dieses Wunder.

emil-stillt-bearbeitet

Zu wissen, dass er durch das, was mein Körper in der Lage ist herzustellen, als Baby 100 % ernährt werden konnte und heute auch noch davon profitiert.

Das Stillen eines größeren Kindes, das augenscheinlich kein Baby mehr ist, ist eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht. Aber es ist zeitgleich das Schönste, was es gibt. Jetzt gehen die Kinder nämlich in die Interaktion mit der Mutter. Sie zeigen, dass sie an der Brust trinken wollen. Und sie zeigen, wie gerne sie das tun und was es ihnen bedeutet.

In einem Artikel der Anthropologin Katherine A. Dettwyler, der sich mit der Frage nach dem biologisch sinnvollen, also dem natürlichen Abstillalter beim Menschen beschäftigt, heißt es:

[…] „Dennoch deuten alle Daten darauf hin, dass die oft geforderte Mindeststilldauer von sechs Monaten (voll) bzw. einem Jahr (mit Beikost) eher kürzer ist, als es unsere natürliche Stilldauer wäre, und dass „Langzeitstillen“ über Zeiträume von ein bis drei Jahren eher als „Normstillen“ bezeichnet werden sollte und erst eine Stilldauer, die über drei Jahre hinausgeht, wirklich in den Bereich des „Langzeitstillens“ vordringt.“

Wenn ich solche Texte lese, ist mein Schamgefühl in der Öffentlichkeit, das ich tatsächlich manchmal noch empfinde, wie weggeblasen. Ich ziehe selbstverständlich und selbstsicher meinen Pulli hoch – wenn das nicht schon mein zweijähriger Sohn getan hat 😉 – als wäre es die normalste Sache der Welt.

Ist es ja auch!

Wir haben schlichtweg verlernt, was normal und natürlich ist. Übrigens nicht nur in diesem Zusammenhang! Hätte die Natur gewollt, dass Kinder nach 6 Monaten abgestillt werden, würde der weibliche Körper zu diesem Zeitpunkt aufhören, Muttermilch zu produzieren.

So logisch. So einfach.

 

Stillt ihr auch „noch“? Wie alt sind eure Kinder? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht in der Öffentlichkeit? Ich freue mich, wenn ihr uns teilhaben lasst an euren Erlebnissen. Bis gleich in den Kommentaren. 🙂

Quellen: www.medela.de; www.stillkinder.de

 

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