Vor mir liegt es. Das Buch der Bücher. Einer der populärsten Mütter-Ratgeber der NS-Zeit.

In altdeutscher Schrift. Auflage von 1934. Und genau so riecht es auch. Zum Schutz gehüllt in eine Plastikfolie. Bei Amazon gebraucht entdeckt für schlappe 845 Euro. Gott sei Dank habe ich es ausgeliehen. 😉

Die Autorin, Dr. Johanna Haarer (1900-1988), war Ärztin im Dritten Reich. Sie veröffentlichte einige Erziehungsratgeber, die besonders von den Frauen / Müttern in der Kriegszeit gelesen wurden. Aber auch später in der Nachkriegszeit spielten ihre Bücher eine immer noch große Rolle und wurden zigfach weiterhin verkauft. Bis 1987 immerhin. Unvorstellbar.

Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind wurde das Standardwerk in den Mütterschulen des Reichsmütterdienstes der NS-Frauenschaft. Insgesamt fünf Millionen junge Frauen wurden seit 1934 in den Mütterschulen auf ihre Rolle als Mutter und Hausfrau vorbereitet.

Ehrfürchtig schlage ich das Buch auf. Viel habe ich darüber schon gehört und gelesen. Erschreckendes. Was wird mich erwarten?

Bekannt sind manche Aussagen Haarers, wie etwa folgende:

„Bei großen, kräftigen Kindern sei der Mutter abermals der Rat gegeben: Schreien lassen! […] Nach wenigen Nächten, vielfach schon nach der ersten, hat das Kind begriffen, dass ihm sein Schreien nichts nützt, und ist still.“

Darüber hinaus findet man harmlose Anleitungen, wie man Höschen und Jäckchen strickt, ein Kapitel darüber, wie die Erstausstattung des Kindes aussehen sollte, Informationen über die Schwangerschaft, die Entbindung und das Wochenbett. Stillen ist auch ein großes Thema. Sie hält sehr viel vom Stillen, betont wieder und wieder, wie wichtig das Stillen für das Kind ist.

Im Kapitel über die „Erziehung des Kindes“ aber kommen mir dann endgültig die Tränen. Für mich unvorstellbar, so mit meinem Kind umzugehen.

Es war zwar nicht wenig Arbeit, aber auch Du sollst die Chance haben, den originalen Text lesen zu können, darum habe ich ihn nachfolgend für Dich abgetippt:

 

Kapitel: Die Erziehung des Kindes

„Je mehr sich das Kind im Laufe des 1. Lebensjahres körperlich und geistig entwickelt, desto mehr wird die Mutter auf die Notwendigkeit stoßen, es zu erziehen. Jede Mutter wird immer wieder staunen, ein wie selbständiges und eigenwilliges Wesen ihr Kind ist. Es entwickelt sich nach eigenen, ihm innewohnenden Gesetzen und Anlagen. Das von Haus aus gesunde und kräftige Kind setzt seine gute körperliche Anlage durch, vielfach sogar gegen falsche oder missverstandene Pflegemaßnahmen. Ebenso frühzeitig setzt sich die geistige Eigenart durch. Ihr erster Ausdruck ist ein gewisser Eigenwille, ja Eigensinn des Kindes. Damit hat sich die Mutter von Anfang an auseinanderzusetzen, und darin besteht die eigentliche Erziehung.

Ihr Kind zu erziehen, ist für die Mutter eine ebenso selbstverständliche und naturgewollte Aufgabe wie seine Ernährung und seine Pflege. Sie steht dem Kinde durch stärkste blutmäßige Bindungen am nächsten und ist deshalb seine ihm vorbestimmte Erzieherin. Sie muss immer danach trachten, die Führung zu behalten, wenn außer ihr auch noch andere Personen das Kind betreuen.

Soll die Mutter wirklich ihrem Kinde die beste Erzieherin sein, so sind natürlich bei ihr selbst gewisse Charaktereigenschaften und Fähigkeiten unerlässliche Vorbedingung. Nur eine pflichtbewusste, charakterfeste Frau mit gesundem Menschenverstand, die Sinn hat für Ordnung, Regelmäßigkeit, Pünktlichkeit und Sauberkeit wird ihr Kind richtig erziehen können. Selbstverständlich wird sie lieber auf manches sogenannte „Vergnügen“ verzichten, als dass sie ihr Kind und damit dessen Erziehung fremden Menschen überlässt. Wie oft verraten Frauen in ungewollten kleinen Äußerungen, dass gerade dieser Punkt die Ursache gewollter Kinderlosigkeit ist! Dabei ahnen sie gar nicht, welch eine Fülle von Glück und Lebensbefriedigung ihnen verlorengeht, wie sie das Aufziehen gesunder Kinder mit sich bringt.

Die Fähigkeit, seine Kinder zu erziehen, hängt keineswegs ab von irgendeinem Bildungsgrad, von dem Maß an Wissen, das die Mutter besitzt oder gar von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten „Klasse“. Wir finden Gott sei Dank in allen Schichten unseres Volkes Mütter, wie sie sein sollen. Wohl gehören zur Aufzucht eines Kindes Kenntnisse mancherlei Art. Sie mit diesem Buche zu vermitteln, war der Wunsch der Verfasserin. Alle diese Kenntnisse aber können den gesunden Instinkt der Mutter nie entbehrlich machen, in niemals ersetzen.

Wie überall, so ist auch in der Erziehung das Einfache immer das Richtige! Es fehlt auch für die Erziehung des Säuglings und des Kleinkindes nicht an kompliziertesten psychologischen Theorien, die sich eine Zeitlang einer gewissen modischen Beliebtheit erfreuten. Sie sind vielmehr geeignet, den gesunden Blick für das Richtige und Nächstliegende zu verwirren, als dass sie eine wirkliche Hilfe bei der Erziehung bedeuten könnten. Die vernünftige Mutter hat sie nicht nötig. Die oberflächliche, launische, bequeme und unvernünftige Frau wird auch durch sie keine gute Erzieherin ihrer Kinder werden.

Das jüngst vergangene Zeitalter, das sich mit dem Namen „Jahrhundert des Kindes“ brüstete – in Wahrheit wurde es zum kinderärmsten deutschen Jahrhundert – hat in dieser Hinsicht sonderbare Blüten getrieben. Damals bildete sich jener Typus von Eltern und Erziehern heraus, der über dem Beobachten und Erforschen der kindlichen Seelenregungen, also der „Psychologie“, die eigentliche „Erziehung“ völlig vergaß und das Kind in Wirklichkeit führerlos heranwachsen ließ, oder aber, ins Gegenteil sich kehrend, aus einem Übermaß von „Psychologisieren“ heraus das Kind so unablässig gängelte, dass eine unbefangene und geradlinige seelische Entwicklung von vornherein unmöglich gemacht wurde. Diese „schwierigen und komplizierten Kinder“ wurden dann aufs neue Gegenstand des unermüdlichen „psychologischen Interesses“ ihrer Eltern.

All das, was wir in den vorhergehenden Kapiteln über die Pflege und Ernährung des Kindes gesagt haben, schließt schon wichtigste Erziehungsmaßnahmen in sich, und wir haben das immer wieder betont, vor allem auch, dass mit der Erziehung nicht zu früh begonnen werden kann. Von Anfang an behandle man das Kind gewissermaßen als vollwertigen Menschen, mit dem man in vernünftigem Deutsch spricht, und den man weder wie ein Schoßtierchen noch wie ein Spielzeug behandelt. Es ist kein Zeichen besonderer Mutterliebe, wenn man sein Kind unablässig mit Zärtlichkeiten besonders vor Dritten überschüttet, oder all seinen Wünschen und Regungen unbedenklich nachgibt. Solche Affenliebe verzeiht das Kind wohl, erzieht es aber nicht.

Im Gegenteil. Wir haben schon darauf hingewiesen, dass es sehr oft schon frühzeitig zu förmlichen Kraftproben zwischen Mutter und Kind kommt. Sie in der richtigen Weise zu bestehen, ist das Geheimnis aller Erziehung. Auch wenn das Kind auf die Maßnahmen der Mutter mit eigensinnigem Geschrei antwortet, ja gerade dann lässt sie sich nicht irre machen. Mit ruhiger Bestimmtheit setzt sie ihren Willen weiter durch, vermeidet aber alle Heftigkeit und erlaubt sich unter keinen Umständen einen Zornesausbruch. Auch das schreiende und widerstrebende Kind muss tun, was die Mutter für nötig hält und wird, falls es sich weiterhin ungezogen aufführt, gewissermaßen „kaltgestellt“, in einen Raum verbracht, wo es allein sein kann und so lange nicht beachtet, bis es sein Verhalten ändert. Man glaubt gar nicht, wie früh und wie rasch ein Kind solches Vorgehen begreift.

Das gut erzogene Kind ist für seine Eltern und seine ganze Umgebung keine Last, sondern ein Duell der Freude und des Glückes. Niemals werden wir bei ihm Szenen erleben, wie man sie leider in manchen Familien und sogar auf der Straße mit ansehen muss: Die verlegen und hilflose Mutter mit dem wütend schreienden und um sich schlagenden Kinde, das gewohnt ist, auf diese Weise seinen Willen durchzusetzen. Dass man in der Beachtung des Kindes bei aller Liebe und Zärtlichkeit, die es braucht, nicht zu viel tut, ist ein weiterer Schlüssel zur Erziehung. Immer wieder haben wir darauf hingewiesen, dass das Kind bis zu einem gewissen Grade sich selbst überlassen bleiben soll und lernen muss, sich selbst zu beschäftigen. Wird einem Kinde zu viel Beachtung geschenkt und aus jeder seiner Regungen ein halbes Wunder gemacht, so entwickelt es sich rasch zum kleinen Komödianten. Seine natürliche Unbefangenheit geht verloren. Deshalb ist es ein Zeichen besonderen Unverstandes, wenn manche Mütter mit ihren Kindern vor Dritten förmliche Vorführungen veranstalten. Damit kann der Grund gelegt werden zu bleibenden Charaktermängeln.

Nicht einmal aus etwaigen Äußerungen des Schmerzes mache man unnötig viel Wesens. Selbstverständlich fällt das Kind, das stehen und gehen lernt, viel, stößt sich des Öfteren und schreit und weint dann. Natürlich braucht mancher kleine Jammer seinen kleinen Trost. Grundverkehrt aber ist es, das Kind bei jeder Kleinigkeit mit Äußerungen des Mitleids zu überschütten. Die Mutter, die hier vielleicht zweifelt, mache einmal den Versuch: Das Kind, das bei irgendeinem kleinen Schmerz nicht unnötig bedauert wird, schreit nur etwa halb so lang.

Die gesamte geistig-seelische Entwicklung des Säuglings und Kleinkindes führt die Mutter gar bald zu sehr tiefgehenden Fragen über das Seelenleben überhaupt, über die wechselseitigen Beziehungen zwischen dem jungen, werdenden Menschenwesen, seiner Umwelt und seinen ererbten Anlagen. All diese Dinge konnten beim besten Willen nicht in ein paar kurzen Abschnitten restlos behandelt werden. Die Verfasserin hat ihnen aber in ihrem zweiten Buch „Unsere kleinen Kinder“ den Raum eingeräumt, der ihrer Bedeutung gebührt. Verlohnt es sich doch heute mehr denn je, den Aufgaben, die der Mutter warten, in jeder Altersstufe des Kindes richtig gerüstet entgegenzugehen.

Vergessen wir doch nicht, was für Anforderungen unsere Zeit schon an die Jugend stellt, welch hohe Erwartungen der nationalsozialistische Staat an sie knüpft. Vorüber sind die Zeiten, wo es erstes und oberstes Ziel aller Erziehung und Aufzucht war, nur die Eigenpersönlichkeit im Kind und Menschen zu vervollkommnen und zu fördern. Eins ist heute vor allem not, nämlich dass jeder junge Staatsbürger und Deutsche zum nützlichen Gliede der Volksgemeinschaft werde, dass er neben der höchstmöglichen Entwicklung all seiner guten Anlagen und Fähigkeiten lerne, sich einzuordnen in eine Gemeinschaft und um ihretwillen eigene Wünsche und eigene Bestrebungen zurückzustellen.“

[…]

 

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