Unter diesem Titel hat meine liebe Blogger-Kollegin Katharina Walter im Mai einen sehr erfolgreichen Online-Kongress veranstaltet. Da mich schon die Überschrift triggert, werde ich die Thematik, ganz uneigennützig, in einem eigenen Artikel verarbeiten. Nämlich in diesem hier. 🙂

Unser Sohn Emil ist jetzt 19 Monate alt. Bisher lebten wir einfach „nur“ die Lehre des Attachment Parenting:

Bindungsorientiert. Bedürfnisorientiert. Auf alle Signale des Babys achten und sofort reagieren.

Hier und hier und hier kannst Du Dich noch einmal in die Thematik einlesen.

Inzwischen stellt sich uns immer mehr die Frage: Wollen wir ihn erziehen? Wenn ja, welche Erziehungsmethode ist die richtige für unsere Familie? Brauchen Kinder Grenzen? Brauchen sie Regeln? Brauchen sie Vorgaben, was richtig ist und was falsch?

Oder beeinflussen wir unser Kind damit eventuell zu sehr?

Vielleicht ist SEIN Weg ja ein anderer und ich dränge ihm MEINEN Weg auf, weil ich überzeugt bin, dass MEIN Weg der einzig richtige ist.

Verunsicherung machte sich breit.

Also fing ich an, im inzwischen übermächtigen Internet nach Antworten zu suchen. Und da findet man ja Gott sei Dank eine Antwort auf JEDE Frage!

Zunächst habe ich mir die verschiedenen Erziehungsstile angeschaut, von denen ich Dir nachfolgend gerne eine Auswahl vorstellen möchte.

Die Erziehungsstile

Der autoritäre Erziehungsstil ist wohl der, den die meisten von uns als Kinder erlebt haben.

Leider, kann ich da nur sagen. Es handelt sich um einen Erziehungsstil, der hierarchisch angeordnet ist. Die Kinder sind nämlich den Eltern untergeordnet. Diese bestimmen, was wann und wie gemacht wird. Das Kind hat zu funktionieren, und zwar so, wie die Eltern sich das vorstellen. Und wenn nicht, folgt eine Strafe. Sogar körperliche Strafen können hier mit reinspielen. Aber nicht immer. Oft sind es einfach „nur“ Drohungen, Liebesentzug oder Einschüchterung, also psychische Gewalt am Kind. Das Kind wird entweder belohnt (wenn es etwas so gemacht hat, wie die Eltern es wünschten) oder bestraft. Die Gefühle oder Bedürfnisse der Kinder spielen bei diesem Erziehungsstil keine Rolle.

Der antiautoritäre Erziehungsstil ist das Gegenteil vom autoritären. Es gibt hierbei keinerlei Zwänge, die dem Kind auferlegt werden. Freie Entfaltung steht an erster Stelle. Die Kinder dürfen eigene Entscheidungen treffen, tun, worauf sie Lust haben. Der Erzieher macht lediglich Vorschläge. Wertschätzung gilt zudem als einer der Grundsteine dieses Erziehungsstils.

Laissez-faire kommt aus dem Französischen und bedeutet: Machen lassen. Darum geht es bei diesem Erziehungsstil auch. Die Eltern lassen ihr Kind einfach machen, es wird im Grunde sich selbst überlassen. Eltern, die dieses Modell leben, sind eher uninteressiert und passiv ihrem Kind gegenüber. Vorgaben gibt es, wenn überhaupt, nur wenige. Regeln sind diesen Kindern unbekannt. Emotionale Nähe leider auch.

Der autoritative Erziehungsstil ist genau zwischen dem autoritären und dem Laissez-faire angesiedelt. Zum einen ist das Kind an starre Vorgaben der Eltern gebunden, auf der anderen Seite wird das Kind jedoch in seinen Gefühlen und Wünschen wahrgenommen. So werden zwar Regeln aufgestellt, aber gleichzeitig begründet, so dass das Kind sie nachvollziehen kann. Viel Liebe und Unterstützung bekommen diese Kinder, allerdings auch klare Grenzen gesetzt, die ohne Wenn und Aber durch- und umgesetzt werden. Die Anforderungen an, und Erwartungen in diese Kinder sind hoch.

Der demokratische Erziehungsstil wiederum ist nicht hierarchisch. Eltern und Kinder stehen auf einer Ebene, befinden sich auf Augenhöhe. Es wird sich auf Diskussionen eingelassen, weil die Meinung und Sichtweise des Kindes wahrgenommen und berücksichtigt wird. Das Kind entwickelt sich selbstbestimmt und erhält Vorschläge von den Eltern, wie es mit Situationen umgehen kann.

Soweit okay. Und nun?

Als nächstes fragte ich mich, welcher dieser Erziehungsstile vom Grundsatz her zu mir passen könnte.

Die Antwort war schnell gefunden:

Der autoritäre scheidet sowas von aus! Unvorstellbar!

Für Laissez-faire ist mir mein Kind zu wichtig und die Zeit, die ich mit ihm habe, und von ganzem Herzen haben will, zu kostbar!

Antiautoritär oder demokratisch kann ich mir wiederum ganz gut vorstellen, da mir die Vorstellung gefällt, dass mein Kind und ich auf Augenhöhe sind.

Beim autoritativen Erziehungsstil gefällt mir zwar, dass die Gefühle des Kindes wahrgenommen und ernstgenommen werden, jedoch der Punkt „Grenzen setzen“ überhaupt nicht. Wie komme ich dazu, mich über mein Kind zu erheben und ihm zu sagen, wo seine Grenzen sind!?

Die Fragen, die ich mir immer häufiger in den letzten Tagen stelle, sind:

Wieviel ist in unseren Kindern angelegt, wenn sie auf diese Welt kommen?

Sind sie wirklich so unbefleckt und „formbar“ wie wir meinen?

Oder bringt diese Seele nicht vielleicht schon eine (oder mehrere) Geschichten mit?

Und gibt es einen Plan für dieses Kind, den ich mit meiner „Erziehung“ und den starren Regeln eventuell beeinflusse oder im schlimmsten Fall sogar verhindere?

Meinem Verständnis nach handelt es sich beim antiautoritären und demokratischen Erziehungsstil eher um Formen von „Beziehung“ statt „Erziehung“. Und genau das will ich:

Eine Beziehung mit und zu meinem Sohn.

Ich möchte nicht an ihm rumerziehen. Eigentlich (nein, ganz sicher!) möchte ich überhaupt nicht an ihm ZIEHEN.

Gleichberechtigt. Ja, das klingt gut in meinen Ohren.

Ein Nein ist ein Nein – oder doch nicht?

Gleichberechtigt bedeutet ja auch, die Dinge laufen zu lassen und nicht durch Verbote zu beeinflussen.

Weniger häufig „nein“ sagen ist für mich immer wieder eine Herausforderung. Ich hinterfrage noch immer ständig, ob das „nein“, das mir schnell mal über die Lippen kommt, wirklich notwendig ist.

Mir hat folgender Gedanke geholfen:

„Was ist das Schlimmste, das passieren kann, wenn ich jetzt ´ja´ sage?“

Und dann wäge ich ab.

Beispiel?

Neulich half mir Emil beim Innenputz unseres Autos. Er bekam einen Lappen in die Hand, den er in den Wassereimer tauchte und dann anfing, den Fahrersitz zu putzen. Soweit so prima. Leider vergaß er den unwichtigen Zwischenschritt, den Lappen vorher auszuwringen. Als ich das bemerkte, war der Fahrersitz schon komplett nass.

Uff. Durchatmen. Bis 10 zählen. Abwägen.

Was ist das Schlimmste, das jetzt passieren kann?

-> Ich muss ein Handtuch holen, damit ich bei der nächsten Autofahrt keinen nassen Popo kriege.

Naja, damit kann man doch eigentlich leben, dachte ich, und ließ ihn gewähren.

Wann ist ein Kind „verzogen“?

Einmal habe ich mich vorgewagt und mit einem Dritten darüber gesprochen, dass ich Emil nicht erziehen möchte.

Die Reaktion: Große Augen, Erstaunen, Fassungslosigkeit. Und als sich derjenige wieder gefangen hatte, kam: „Das geht doch nicht!“ und „Der wird euch ja auf der Nase rumtanzen später“.

Brauchen Kinder Erziehung, damit „etwas“ aus ihnen wird?

Oder sind sie nicht vielleicht schon jemand?

Manchmal wünsche ich mir eine Zauberkugel, um in die Zukunft zu schauen. Das wäre doch toll, oder, wenn wir jetzt schon wüssten, wie unser Kind später ist. Ob es im Leben zurechtkommt. Selbstbewusst und selbstbestimmt ist. Ob es sein ganzes Potential und in Fülle lebt. Dann ist unser „Erziehungsstil“ wohl der richtige für unser Kind gewesen.

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Oder ist es unser Ziel, einen angepassten Erwachsenen zu (er)schaffen, der in diese Gesellschaft passt? Der eine Kopie von bereits vielen Menschen ist, die mit vorgegebenen Regeln, Vorschriften und Glaubenssätzen großgezogen wurden? Dessen Selbstwert mehr schlecht als recht ist und der gar nicht weiß, wer er eigentlich ist, weil ihm immer alles vorgekaut wurde?

Was sagt denn Dein Bauchgefühl? Welcher Erziehungsstil passt zu euch am besten? Oder lebt ihr vielleicht komplett unerzogen? Erzähl doch mal, ich freue mich, mehr von Dir zu erfahren. Bis gleich in den Kommentaren. 🙂

 

 

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