Die liebe Antje Kräuter, die Sarah für unseren Bedürfnisorientiert Aufwachsen Online Kongress als Interviewpartnerin zum Thema „Frühe Kindheit“ Rede und Antwort stand, ist heute bei uns im schriftlichen Interview.  Wir haben zu Frau Kräuter viel positive Resonanz bekommen, da sie ein sehr warmherziger und liebenswerter Mensch ist. Das kam gut an. Nicht nur bei unseren Zuschauern. Besonders das Gedicht am Ende des Interviews hat nicht nur mir die Tränen in die Augen schießen lassen. 🙂

..Noch dazu setzt sie sich auf Ihrer Website unter anderem für mein Herzensthema ein: Die frühkindliche Betreuungssituation.

So entstand der Wunsch, sie für ein schriftliches Interview zu löchern, welchem Du nun folgen kannst.

 

Liebe Frau Kräuter, tausend Dank, dass Sie sich bereit erklärt haben, uns einige Fragen zu beantworten. Sollen wir am besten gleich loslegen?

Erzählen Sie uns etwas von sich?

Wir haben drei erwachsene Kinder (38, 30 und 24) und eine Enkelin (18) und erwarten in Kürze das zweite Enkelkind. Ich habe mit der Geburt meiner Tochter vor 30 Jahren umgelernt und blieb mit ihr zu Hause, ließ mich (in der DDR) zur Pflege meiner Mutter von der Arbeit freistellen (als Hochschulabsolventin – Dipl. Agrar-Ing.) war es nicht einfach, sich gegen den bereitgestellten Krippenplatz zu entscheiden, man war zum Arbeiten-Gehen verpflichtet. Deshalb musste mein erstes Kind auch leider in eine Krippe gehen, und dies viel zu früh! Es tat ihm nicht gut, seine Entwicklung blieb mit Krippeneintritt stehen, er war viel krank. Erst mit eineinhalb Jahren entwickelte er sich wieder besser.

Nun, beim zweiten Kind, war ich mit einer Stillberaterin der La Leche Liga (= Internationale Stillorganisation LLL) in Kontakt gekommen, die damals über die ev. Kirche in der DDR dazu ausgebildet wurde. Wir waren im damaligen Karl-Marx-Stadt 1987 die erste Stillgruppe: zwei Mütter bei der Stillberaterin zu Hause, die sich einmal im Monat trafen. Die Literatur der LLL half mir sehr, ich lernte viel über die Grundbedürfnisse unserer Kleinstkinder, und in mir reifte der Wunsch, ebenfalls Stillberaterin zu werden und darüber hinaus auch die Beratung in der frühen Kindheit rund um Stillen und Körperkontakt zu meinem neuen Beruf zu machen, zumindest erst einmal ehrenamtlich zu arbeiten.

Ich wurde 1994 zur Stillberaterin der AFS geprüft, belegte Weiterbildungskurse zur Elternberatung, zur Babymassage-Kursleiterin u.v.m.

Nach der Wende hatte ich auch einen Naturwarenladen zum Verkauf von Tragetüchern, dem Snugli-Tragesack (später in Glückskäfer-Tragesack umbenannt), Still-BHs und Babyfellen gegründet, den ich mit einer Gruppe stillender und tragender Mütter führte. Mit dem dritten Kind, meinem zweiten Sohn, führte ich noch in der Elternzeit diesen Laden, bis ca. zum ersten Geburtstag des letzten Kindes, gab ihn jedoch dann aus Zeitgründen auf, machte nur noch Stillberatung und führte Babymassagekurse durch.

Meine beiden letzten Kinder kamen erst im Alter von 4 Jahren vormittags und manchmal auch bis 15 Uhr in den Kindergarten im kleinen Vorort von Chemnitz. Sie hatten sich dies selbst gewünscht, um mit Kindern zusammen zu sein, denn alle Kinder in der ehemaligen DDR leben leider meist in institutioneller Betreuung.

Als in Chemnitz die Universität ein Psychologiestudium für die ersten 40 Studenten eröffnete, war ich sofort dabei! Mein letztes Kind kam in die Schule, und so lernten wir zusammen die nächsten 5 Jahre, und dann noch mal weiter zur Psychotherapeutin weitere 3 bis 4 Jahre. Schon mit dem Diplom hatte ich als Psychologin die Gelegenheit, viele Jahre als Elternberaterin für Säuglinge und Kleinkinder von 0 bis 3 in der Institutsambulanz der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu arbeiten. Nach der staatlichen Approbation als Psychologische Psychotherapeutin gründete ich meine eigene Praxis für Erwachsenen-Psychotherapie für Kassen- und Privatpatienten und spezialisierte mich auf Traumapsychotherapie, EMDR- Therapie und die Behandlung von werdenden und jungen Eltern mit ihren Babys und Kleinkindern.

Außerdem bin ich noch immer ehrenamtlich arbeitende Stillberaterin.

Ich führe einen anderen Ansatz bei der Behandlung von Wochenbettdepressionen, aber das wäre ein weiteres Extrathema.

 

Sie widmen sich auf Ihrer Webpräsenz dem Überthema „Grundgesundheit in der frühen Kindheit“. Diese ist in einzelne Teilbereiche aufgegliedert, nämlich Bindung, Geburt, Stillen, Tragen, Schlafen, Kommunikation, Erziehung und Betreuung.

Sind das alles Herzensthemen für Sie oder hebt sich eines besonders hervor? Wenn ja, aus welchen Gründen?

Diese Themen beinhalten die Faktoren, die für eine sichere Bindung sehr von Vorteil sind. Mehrere dieser komplexen Bindungsfaktoren sollten von den Eltern verwirklicht werden. Dazu gehört eine natürliche Geburt, der Blickkontakt unmittelbar danach für das Bonding der Mutter an das Neugeborene, das Stillen, so lang es das Kind möchte, Körperkontakt durch Tragen bei der Hausarbeit, um das Baby nicht schreien lassen zu müssen, die richtige Richtung des Kinderwagens, damit Eltern und Kind in Kontakt bleiben zur Vorbeugung gegen den Stress bei unseren Jüngsten.

Aber auch das Familienbett gehört dazu, damit die stillende Mutter nachts nicht andauernd aufstehen muss, sich die Schlafphasen synchronisieren und sie sich morgens auch eher ausgeschlafen fühlen kann. Feinfühlige Kommunikation ist ebenso notwendig, damit unsere Kinder ein sicheres Bindungsmuster erlangen. Die Erziehung sollte bedürfnisorientiert in den ersten Jahren sein, dazu empfehlen wir auch Bücher auf unserer Website.

Als Initiativgruppe Frühe Kindheit liegt uns das Betreuungsthema auch sehr am Herzen, es ist unglaublich schwer für uns, besonders auch für mich zu ertragen und mit anzusehen, wie die Regierung nach DDR-Vorbild eine Krippe nach der anderen bauen lässt und extrem viel Propaganda dafür betreibt.

Über 1000 € pro Monat erhält jedes Krippenkind! Und die Kinder, deren Mütter sie nicht verlassen und für sie selbst sorgen möchten, gehen leer aus!

Das ist deshalb nicht nur auf Grund meiner eigenen Erfahrung besonders schwer, sondern auch aus dem Wissen aus dem Studium umfangreicher Literatur über die Entwicklungspsychologie in der frühen Kindheit. Besonders die weltweit in großer Zahl tätigen Bindungsforscher und deren Erkenntnisse über die Schädlichkeit früher Gruppenbetreuung werden einfach nicht zur Kenntnis genommen. Dazu kommen die Forschungen der Stressforscher usw. Es wird sogar in der Forschung ein politischer Druck aufgebaut, dass kritische Forschungsergebnisse nicht gewünscht sind und nicht verbreitet werden, und dass darüber hinaus von Wirtschaftsinstituten eigenständige Forschungen mit zweifelhafter Interpretation zur politischen Kommunikation pro Krippe verbreitet werden. Hier gibt es dazu mehr Informationen.

 

Wie wichtig ist die Bindung in den ersten Lebensjahren? Wann ist ein Kind sicher gebunden? Und wie erkennt man, dass es nicht sicher gebunden ist?

Das Bindungsmuster an die wichtigsten Bezugspersonen bildet sich im ersten Lebensjahr heraus und kann im Alter von 12 bis 14 Jahren von meist universitären Bindungsinstituten getestet werden. Dazu dient der von Mary Ainsworth entwickelte Fremde-Situations-Test.

Sicher gebunden:

Als Faustregel kann man sich merken: sichere Kinder weinen, wenn die Mutter plötzlich das Untersuchungszimmer verlässt, lassen sich ein wenig von der fremden Frau, die bei ihnen bleibt, ablenken, aber nicht trösten. Wenn die Mutter spätestens nach 3 min den Raum wieder betritt, ist das Kind in der Regel froh, möchte auf den Arm und lässt sich gut beruhigen. Bald möchte es wieder vom Arm herunter und weiterspielen.

Ängstlich-ambivalent:

Ängstlich-ambivalent an die Mutter gebundene Kinder weinen extrem laut und lange, lassen sich von der Mutter schlecht beruhigen, schlagen evtl. aus Enttäuschung über das Verlassen-Werden nach ihr (Ambivalenz), und möchten auch nicht wieder spielen, sind hin- und hergerissen zwischen Spielzeug und Mutter. Oft sind diese Eltern auch ängstlich und unsicher, aber meist sehr liebevoll.

Unsicher-vermeidend:

Unsicher-vermeidende Kinder scheinen scheinbar nicht erschüttert über den Weggang der Mutter, aber das täuscht. Zeitlupe-Untersuchungen haben gezeigt, dass sie auch ein wenig in der Körperhaltung zusammenrutschen und /oder unkonzentriert oder nur schlecht weiterspielen. Wenn die Mutter wieder hereinkommt, krabbeln sie wieder fröhlich los, aber kehren ihr den Rücken zu, spielen jedoch wieder schön konzentriert weiter. Sie haben gelernt, die Mutter besser nicht zu belästigen mit ihren Wünschen und Gefühlen und tragen dies tapfer allein.

Desorganisierte Kinder:

Desorganisierte Kinder verhalten sich verstört, sie dissoziieren (Einfrieren) und wissen nicht, ob sie zur Mutter gehen wollen, wenn sie wieder hereinkommt, bleiben auf halbem Weg stehen, wenden sich den anderen Personen oberflächlich zu. Diese Kinder stammen aus Elternhäusern mit psychischen Auffälligkeiten, haben oft bereits Misshandlungserfahrungen, werden ohne grundlegende intensive und oft nicht zu realisierender Hilfe zu unseren künftigen Psychopathologie-Patienten.

Die Bindungstests können übrigens auch mit dem Vater gemacht werden.

 

Was bedeutet es für das restliche Leben eines Kindes, wenn es keine sichere Bindung zu mindestens einer Bezugsperson erfahren durfte?

Bei uns hier im Osten scheint es so, als ob die sichere Bindung der Menschen kaum noch vorkommt. Ich spreche bewusst von Menschen, denn das Bindungsmuster nimmt man mit ins Leben und gibt es an die Kinder weiter. Es reicht aber für eine gesunde Entwicklung, wenn wenigstens ein Elternteil ein sicheres Bindungsmuster zu seinen eigenen Eltern ausgebildet hatte. Wichtig ist, dass dieser Elternteil dann auch viel Zeit mit seinem eigenen Kind verbringt. Die anderen beiden Muster (außer Desorganisation) sind per se nicht schädlich, können aber im späteren Leben viel eher und leichter zu psychischen Störungen oder körperlichen stressbedingten Krankheiten führen. Dabei ist sozialer Stress (Kummer mit Bezugspersonen oder wichtigen anderen) am schwersten von uns Menschen zu verkraften.

 

Berufung Mami widmet sich vor allem der frühkindlichen Betreuungssituation und spricht sich dafür aus, dass ein Kind in den ersten Jahren zu seinen Eltern, respektive der Mutter gehört. Können Sie das unterschreiben und warum? 

Die Mutter ist die wichtigste Person, denn in ihrem Bauch ist das Kind gewachsen, und es wird von ihr gestillt. An dieser Stelle muss man darauf hinweisen, dass alle Frauen (98 %) stillen können, selbst bei den restlichen 2% ist dies nicht ausgeschlossen. Nur eine noch geringere Prozentzahl gibt es, die nicht stillen dürfen, 4 extrem selten auf der Welt vorkommende Krankheiten bzw. schwere Erkrankungen bei Mutter und Kind sind Kontraindikationen für das Stillen. Heute gibt es zahlreiche Stillberaterinnen der drei nationalen / internationalen Stillorganisationen, die mit relativ hoher Sicherheit helfen können. Hier entlang für die entsprechenden Adressen.

Folglich hat das Baby und Kleinkind den meisten und intensivsten Kontakt mit der Mutter, so dass es immer unter deren Abwesenheit leidet bzw. bei größeren zeitigen Trennungen, z.B. durch Krankenhausaufenthalte oder frühe und tageszeitliche lange Stunden von Fremdbetreuung ohne andere  Bindungsperson, auch bereits traumatische Erfahrungen machen kann.

Die Mutter kann eigene unsichere Bindungsmuster ausgleichen, wenn man sie bei der natürlichen Geburt so gut unterstützt, dass sie das Neugeborene selbst nehmen (annehmen) kann und den Blickkontakt in seine bei Dämmerlicht weit geöffneten Augen hat: da kann sie sich nämlich verlieben!!

Wenn nun die Resolution der WHO von 2001 von allen Ärzten beachtet würde, würden die Mütter aufgeklärt, dass sie ihr Kind wenigsten zwei Jahre und wenigstens zum Trost und zum Einschlafen weiter stillen sollen. Die Stillhormone tragen auch in diesen Jahren weiter zur Gesundheit von Mutter und Kleinkind bei. Auch deshalb ist ein Krippenbesuch, wo das Kind allein einschlafen oder sich zwischendurch bei Stress und Ermüdung selbst trösten müsste, kontraindiziert.

 

Was raten Sie Eltern, die sagen, keine andere Wahl zu haben, als ihr Kind früh abzugeben? Bspw. Alleinerziehende oder Familien, die finanziell nicht so gut gestellt sind. Welche Möglichkeiten gibt es für sie?

Alle Menschen sollten in erster Linie in der Politik ein Umdenken bewirken, mit den Abgeordneten aller Parteien sprechen! Vielleicht müsste man mal eine Demonstration der Mütter organisieren, die ihr Kind selbst betreuen möchten, aber finanziell dies kaum können.

Jedoch gibt es letztlich immer auch Hartz 4 oder man spart für das Kind, bittet die Großeltern um Geld oder einen Kredit. Es sind doch erst einmal nur 3 Jahre, die es zu überbrücken gilt.

Es ist wohl die Investition, die die größte Rendite hat: lebenslang ein Zusammenleben in der Familie mit deutlich mehr Harmonie und Gesundheit!

Schlimm ist, dass uns Müttern mit diesem ungerechten Rentensystem, das Kinderlose begünstigt, wertvolle Punkte für die Altersrente entgehen und Altersarmut droht, wenn wir weniger Berufstätigkeit nachweisen können. Hier muss man sich kräftig  wehren: dieses angeblich so reiche Deutschland lässt seine Nachkommen ohne Nestschutz aufwachsen und bedient die Gewinne der Pharmaindustrie und der Krippenbesitzer, sichert die Arbeitsplätze eines Heeres von Psychotherapeuten und Sozialarbeitern, um die Unsicherheiten später wieder ausbügeln zu helfen.

Es ist nicht so eindeutig, dass Krippe an sich schon schadet, aber in den vielen Fällen von bereits unsicheren Bindungen zwischen Baby und Eltern begünstigt es noch die gegenseitige Entfremdung, den Stress und das Unverständnis und trägt zum verminderten Urvertrauen unserer Nachkommen bei.

 

Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern mit auf den Weg geben wollen?

Je mehr sichere Menschen aufwachsen werden, umso mehr werden sie sich auch für das Gemeinwohl einsetzen (E. Erikson, A.H. Maslow), also für den Schutz der Umwelt und gegen die Aufrüstung!

 

Großartig. Das war spannend. Vielen herzlichen Dank, liebe Frau Kräuter, für Ihre klaren und ehrlichen Worte!

Hier kannst Du mehr über Antje Kräuter und die Initiative Frühe Kindheit erfahren.

 

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